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Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Titel: Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Nohl
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aber
bisher noch nichts erzählt, oder?“
    „Ich habe damals meine erste Stadtführung in Heidelberg bei
ihm mitgemacht. Seine begeisterte und begeisternde Art war vermutlich der
Grund, dass ich mich für den Job überhaupt interessiert habe.“
    „Vielleicht kannst du uns ja bei Gelegenheit einander
vorstellen?“
    Emily nickte, wusste aber
genau, dass sie das wohl nicht tun würde. Es war nur so ein Gefühl, aber die
beiden wären sich vermutlich nicht grün. Glücklicherweise fuhren sie schon in
den Molkenkur-Bahnhof ein, wo sie die Bahn wechseln mussten. Die alte Bergbahn
gefiel Emily deutlich besser. Sie knarzte so wunderbar altmodisch, als sie sich
mit zwei Metern pro Sekunde den Berg hinaufschob, und das Panorama, das sich
vor ihnen auftat, war atemberaubend. Die Sonne kam gerade durch die Wolken, so
dass Emily hoffte, während der Greifvogelschau nicht frieren zu müssen.
Natürlich hatte sie aus ästhetischen Gründen ihre dicke Wolljacke zuhause
gelassen, die sie leider ziemlich
unförmig aussehen ließ. Ein Sonnenstrahl fiel auf Lizzys Haare und sie schienen im Gegenlicht zu brennen.
Josue sah sie an und seine Augen wurden feucht, vermutlich, weil es ihn an
Kathleen erinnerte. Er zog sie auf seine Knie. Sie wehrte ihn etwas unwirsch
ab, weil sie gerade eine Barbie kämmen musste. Das Verhältnis zwischen Lizzy
und ihr hatte sich zum Glück ein wenig entspannt, nachdem Emily ihr Versprechen
gehalten hatte. Sie vermutete, dass Josue mit ihr über Camilla geredet hatte,
aber sie musste da bei passender Gelegenheit nochmal nachhaken.
    Flo hatte bereits mit einem älteren Herrn Kontakt geknüpft,
der versuchte, ihm das Antriebsprinzip der Bergbahn zu erklären, und Flo
fuchtelte mit seinen kleinen Fäusten in der Luft herum, um wiederzugeben, was
er verstanden hatte. Für Emily stand die Zeit einen Moment lang still. Sie
fühlte sich mit den dreien trotz der täglichen Schwierigkeiten zutiefst
verbunden und lehnte sich glücklich an die alte Holzwand.
    Josue musterte sie aufmerksam. „Geht’s dir gut?“ Sie nickte
nur stumm, um den Moment nicht zu zerstören. Da beugte er sich über sie und
küsste sie lange und zärtlich vor allen anderen Fahrgästen, die sicher
innerlich vor Neid platzten.
    Oben angekommen stiegen sie aus und liefen beschwingt die
letzten Meter zur Greifvogelwarte. Alle nahmen aufgeregt auf den Bänken Platz.
Einige große, braune Vögel saßen bereits auf den vorbereiteten Plätzen und
hatten auf den Boden Hieroglyphen aus weißem Kot geschissen. Flo lief wie
magisch angezogen zu den Raubtieren hin. Diesmal hielt ihn Josue zurück und
bugsierte ihn mit festem Griff auf seinen Schoß.
    „Schau dir genau ihre Schnäbel und Krallen an, dann siehst
du, was sie dir antun könnten, wenn du ihnen zu nahe kommst“, sagte er. Flo
spitzte seinen Mund, warf die schwarzen Locken in den Nacken und fuhr ebenfalls
seine Krallen aus. „Das ist doch gar nichts gegen den Ritter der Finsternis“,
deklamierte er und Emily und Josue mussten lachen. Lizzy hatte sich freiwillig
neben Emily gesetzt und positionierte gerade die Barbies so nebeneinander, dass
sie ebenfalls einen Sitzplatz beanspruchten.
     
    Ein Mann in grünem Overall betrat den kleinen Platz in der
Mitte. Er hatte einen Lederbeutel umgehängt, aus dem viele Kükenköpfe schlapp
heraushingen. Emily wusste, dass die vielen übrig gebliebenen Hähnchen nicht in
gleichem Maße aufgezogen wurden wie die zukünftigen Hühner. Was war wohl
besser, ein Leben als eierlegendes Käfighuhn oder kaum ein Leben als
Raubtierfutter? Der erste Vogel wurde losgebunden und erhob sich majestätisch
in die Lüfte. Emily konnte nicht glauben, dass er freiwillig wieder zu seinem
Brötchen- bzw. Kükengeber zurückkehrte. Josue hatte den Arm um sie gelegt, mit
dem anderen Arm hielt er Flo fest. Gemeinsam legten sie den Kopf nach hinten,
um auch ja keinen der Vögel aus den Augen zu verlieren. Emily schien es fast,
als könne sie mitfliegen, wenn sie sich nur intensiv genug auf den Vogel
konzentrierte. Nach der Landung eines Steinadlers fiel ihr Blick plötzlich auf
den leeren Platz neben sich. Die Barbies saßen noch in Reih und Glied und
wirkten einigermaßen aufmerksam, aber Lizzy war verschwunden. Emily schaute
sich um. Lizzy war vorsichtig, sie würde sich nicht in Gefahr bringen, oder
doch? Sie konnte sie nirgendwo entdecken. Sofort fiel ihr das Gefühl wieder
ein, als Flo ihr im Zoo abhandengekommen war.
    Sie stieß Josue mit dem Ellbogen in die Seite.

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