Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
nicht gleich die neue Mutter der Kinder?“
„Doch, das ist wohl so bei einem Witwer in Josues Situation,
das ist nicht zu vergleichen mit eurer Beziehungskonstellation.“
Clara warf ihr einen prüfenden Blick zu. „Bist du denn
bereit für so eine Veränderung?“
„Ich denke, manchmal muss man ins kalte Wasser springen,
sonst stagniert das Leben, oder?“
Clara schwieg.
„Flo ist mir wirklich schon sehr ans Herz gewachsen, ich
denke, wir beide kommen prima miteinander aus. Lizzy hat in-zwischen auch
verstanden, dass ich sie ehrlich mag, aber ihre erste Wahl als Mutter war ich
wohl nie.“
„Emily, du bist schon ein ganz besonderer Mensch. Ich
glaube, das würden nicht viele in unserem Alter machen, sich auf einen Mann mit
zwei Kindern so voll und ganz einzulassen, wie du das gerade vorhast.“ Clara
pickte die Körner von ihrem Körnerbrötchen. Emily nahm einen großen Schluck
Kaffee, um all die aufwallenden Gefühle runterzuschlucken, aber es half nichts.
Sie merkte, wie sie plötzlich zu schluchzen anfing.
„Clara, ich bin mir doch gar nicht so sicher, wie es
vielleicht aussieht. Das alles wächst mir, glaube ich, auch gerade über den
Kopf. Josue setzt so vieles als selbstverständlich voraus, wenn es um die
Kinder geht. Und ich will doch auch noch studieren und einfach nur Studentin
sein und meinen Kaffee mit dir in der Sonne trinken. Und außerdem will er, dass
ich am Wochenende nicht mehr so viel im Altenheim arbeite und dass ich zu ihm
ziehe, aber ich fühle mich doch hier so wohl, und dann habe ich immer das
Gefühl, dass ich ihn nicht genug liebe, wenn mir das alles so schwerfällt“,
brach es aus ihr heraus.
Clara zog sie an ihre starke Schulter und wiegte sie ein
wenig, wie man ein Kind beruhigt. Emily dachte, wie gut das tat. Doch hatte sie
auch ein schlechtes Gewissen, dass immer wieder Clara für solche Momente
herhalten musste.
Nachdenklich starrte Clara in die Kerzenflamme, die im
norddeutschen Stövchen brannte. „Ich glaube, da hätte ich ein Angebot für dich,
das zumindest eines deiner Probleme entspannen könnte.“
Emily suchte nach einem Taschentuch. Clara war so schön
pragmatisch.
„Eine Freundin meiner
Großmutter sucht dringend jemanden mit Pflegeerfahrung, aber eher als
Gesellschafterin für einige Stunden pro Woche. Sie ist recht vermögend und
zahlt sicher besser als die im Seniorenheim. Meine Großmutter und ich haben
schon daran gedacht, dich zu fragen. Wir nennen sie Fräulein Taube, aber mit
richtigem Namen heißt sie Frieda Vogel. Sie ist eine ganz liebe Person und ich
denke, ihr könntet euch gut verstehen.“
Emily putzte sich lautstark die Nase. „Das wär klasse, wenn
ich es mit meinem Stundenplan auf die Reihe bekommen könnte. Was hat sie denn?“
„Erstens ist sie alt, ich denke Anfang achtzig, zweitens hat
sie Multiple Sklerose.“
„Oh.“
„Aber wenn du sie kennenlernst, wirst du sehen, dass sie mit
der Krankheit wirklich bewundernswert umgeht.“ Clara lächelte.
„Darüber hinaus ist sie eine alte Heidelberg-Kennerin und
ihr werdet sicher viel Spaß auf gemeinsamen Streifzügen haben.“
Emily nickte dankbar. „Das hört sich toll an, wann kann ich
sie kennenlernen?“
„Wir können sie nachher zusammen anrufen, jetzt muss ich
aber erst mal frühstücken. So viele Gefühle machen mich immer furchtbar
hungrig.“
Emily reckte ihren bunten Regenschirm in die Höhe. „Bitte
folgen Sie mir“. Sie war so aufgeregt, dass sie ständig auf die Toilette
musste. Etwa zwanzig Personen aller Altersgruppen folgten ihr. Sie fühlte den
bemalten Stein in der Tasche, den Flo ihr heute Morgen als Glücksbringer
überreicht hatte. Ich, Emily Neumann, Wahlheidelbergerin, werde das schaffen.
Warum sollte sie nicht einen persönlichen Beginn für eine Stadtführung wählen?
Gesagt, getan.
„Guten Morgen. Mein Name ist Emily Neumann. Herzlich
willkommen in Heidelberg, der Stadt Ihrer kühnsten Träume. Ich selbst stamme
aus Hamburg, wie sie unschwer hören (leises Gelächter), und habe mich bei meinem
ersten Besuch hier in die Stadt Heidelberg verliebt. Nun lebe ich hier, werde
bald einen Heidelberger heiraten und möchte nie mehr hier weg (zustimmendes
Geraune).“
Eine schweißgebadete Emily ließ sich schwer auf eine Bank in
der Peterskirche fallen und stütze ihren Kopf auf den Griff des bunten
Regenschirms. Da schob sich ein junger Mann neben sie. Sie schaute auf.
„Thorsten, ich habe dich gar nicht gesehen. Vermutlich war mein Blick
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