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Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Titel: Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Nohl
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besuchen?“
    „Da würde sie sich sicher
freuen. Sie liegt im Josefshaus, Station drei, Zimmer dreihundersieben.
Grüßen Sie sie schön von mir. Ich schaue morgen wieder bei ihr vorbei.“
    „Danke. Dann fahr ich gleich mal hin.“
    „Emily?“
    „Hm?“
    „Es ist, wie es ist, das Leben. Es hilft nicht, sich dagegen
aufzulehnen.“
    „Danke, Frau Finkelstein, und bis bald.“
    Emily ließ das Handy sinken. Bitte, Frieda Vogel, flieg noch
nicht davon. Was soll ich denn dann machen, betete sie auf dem Fahrrad. Auch
wenn sie diese Frau noch nicht lange kannte, war sie ihr doch so wichtig
geworden, dass sie es gar nicht in Worte fassen konnte, was sie für sie war:
Vertraute, Freundin, Mentorin, Großmutter, die Mutter, die sie sich immer
gewünscht hätte, oder einfach alles
zusammen?
    Beim Krankenhaus in der
Weststadt angekommen, warf sie ihr Fahrrad im Eingangsbereich gegen den kleinen
Zaun, die Möhre würde keiner freiwillig klauen, und sprintete durch die Tür,
wobei sie mit einem betagten Mann zusammenstieß, dessen Brille runterfiel. Sie
bückte sich und hob das Gestell auf, prüfte es fachgerecht und gab es zurück.
„Es ist in Ordnung. Wir haben Glück gehabt.“
    „Woher wollen Sie das wissen, junge Frau?“
    „Ich bin Optikerin, aber bitte, ich habe es eilig und
nochmals Entschuldigung.“ Und schon rannte sie weiter. Oben angekommen blieb
sie vor der Tür stehen und wappnete sich. Sie klopfte zaghaft und öffnete die
Tür. Sie trat in ein modern und geschmackvoll eingerichtetes Zweibettzimmer.
Frieda Vogel hatte die Augen geschlossen. Das zweite Bett war leer. Emily trat
leise an Friedas Bett.
    Sie schlug die Augen auf und brachte ein kleines Lächeln
zustande.  „Emily. Sie sind spät heute.“ Ihre Stimme hatte viel von ihrer Kraft
eingebüßt.
    „Hallo Frieda. Tut mir leid, ich wusste nicht, dass Sie hier
sind, und habe erst in der Burgstraße nach dem Rechten gesehen.“
    „Ja, mein Täubchen vermisst mich sicher.“ Frieda Vogel
fütterte jeden Tag eine Ringeltaube, die bei ihr auf dem Fensterbrett zu Besuch
kam.
    Emily griff nach der durchscheinenden Hand, die auf der
Bettdecke lag. Sie war leicht, wie eine Feder, aber Frieda schloss ihre
gekrümmten Finger um Emilys Hand und die Berührung spendete ihr Trost.
    „Emily, seien Sie nicht traurig. Ich weiß, Sie haben
schlechte Erfahrungen mit dem Tod gemacht. Und der Tod sollte auch frühestens
in meinem Alter kommen. Aber Sie müssen wissen, mir geht es gut. Die Leute hier
sind wahre Engel. Sie lesen mir jeden Wunsch von den Lippen ab. Ich habe immer
wieder Besuch und ansonsten schlafe ich. Und stellen Sie sich vor, sie geben
mir so ein Zeug, dass ich wirklich gar keine Schmerzen habe, ist das nicht
wunderbar?“
    Emily musste sich abwenden. Sie konnte nichts dagegen tun,
dass ihr die Tränen die Wangen hinunterliefen. Und dass Frieda so friedlich und
zuversichtlich war, half ihr auch nicht weiter. Dann riss sie sich zusammen und
setzte sich an Friedas Bett. „Nun, dann wollen wir heute eben einen Ausflug in
der Phantasie unternehmen, wenn Sie ausnahmsweise unpässlich sind.“
    Und sie begann mit Frieda im Geist spazieren zu gehen. Sie
beschritt mit ihr langsam den Weg in die Handschuhsheimer Obstgärten. Sie
beschrieb jeden Abschnitt auf dem Weg zu Davids Hütte, auch wenn sie den Weg
nie bei Helligkeit gesehen hatte. Frieda lächelte und hielt die Augen halb
geschlossen. Als sie angekommen waren und Emily ihr gerade das Innere
beschreiben wollte, war sie eingeschlafen. Ihr Atem ging regelmäßig und sie sah
ganz entspannt aus. Emily löste vorsichtig ihre Hand aus Friedas und gab ihr
einen Kuss auf die faltige Wange. Dann sah sie noch eine Weile aus dem Fenster
und genoss es, einfach in dem gleichen Raum mit Frieda zu sein. Wer weiß, wie
lange sie das noch erleben durfte. Eine Schwester kam hinein und schaute nach
Frieda Vogel. Sie nickte Emily freundlich zu.
    „Eine unserer Liebsten“, sagte sie.
     
    Emily brachte Flo und Lizzy in die Wohnung. Josue war noch
nicht da, obwohl sie dringend wegmusste. Sie schaute auf ihrem Handy nach –
nichts, auch auf Josues Anrufbeantworter war keine neue Nachricht. Verflixt!
Wenn er es doch einmal schaffen würde, pünktlich zu sein, wenn sie etwas
vorhatte. Diesen Vortrag im Rahmen der Reihe „Soziologie
der Familie und partnerschaftliche Lebensformen“ wollte sie nicht
verpassen, sie hatte schon den letzten sausen lassen, obwohl das Thema sie
brennend interessierte. Flo quengelte. Lizzy

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