Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
saß schon wieder auf der Toilette.
Sie hatte eine Blasenentzündung und Emily war mit ihr beim Arzt gewesen, was
für Flo natürlich auch nicht so spannend gewesen war.
Sie ging eine Treppe hinunter zu der Nachbarin, mit der sie
sich schon mehrfach unterhalten hatte. Deren Kinder waren schon aus dem Haus
und die pausbäckige Frau lebte mit ihrem schweigsamen Mann nun alleine in der
großen Wohnung. Emily fragte, ob sich die Kinder an sie wenden dürften, wenn
etwas wäre, bis Josue heimkomme, der müsse jede Minute da sein. Frau Kuhnle war
einverstanden. Emily hechtete wieder die Treppe hoch. Sie holte den Kindern ein
paar Salzbrezeln und positionierte sie vor dem Fernseher. Es kam Wiki, der
kleine Wikinger, den mochten beide.
Josue würde das gar nicht gefallen, aber diesmal musste es
so gehen. Er wollte partout nicht bei der Arbeit angerufen werden, sonst hätte
sie jetzt durchgeklingelt, um ihm die Lage zu erklären.
Sie hatte Lizzy erklärt, dass sie bei Frau Kuhnle klingeln
konnten, wenn sie Hilfe brauchten. Sie gab ihnen beiden einen Kuss, nahm ihnen
das Versprechen ab, brav zu sein, schnappte sich ihre Tasche und radelte drauf
los, was das Zeug hielt. Sie hatte gar kein gutes Gefühl bei der Aktion. Als
sehr riskant schätzte sie die Zeitspanne aber auch nicht ein. Sie hoffte nur,
Josue würde bald kommen.
Der Vorlesungssaal füllte sich schnell. Sie huschte auf den
leeren Platz neben Clara, den diese ihr frei gehalten hatte.
„Super, dass du früher da warst, Josue kam mal wieder
nicht.“
„Und jetzt?“
„Jetzt sind die Kinder vorübergehend allein, aber sie können
bei einer Nachbarin klingeln.“ Clara nickte und sie wandten ihre Aufmerksamkeit
nach vorne. Ein untersetzter, quicklebendiger Engländer betrat den Saal, der
bald anschaulich über alle möglichen und unmöglichen Formen des
partnerschaftlichen Lebens sprach. Emily freute sich, dass sie es geschafft
hatte, doch noch herzukommen, da die Fülle menschlicher Lebensformen sie
dahingehend beruhigte, dass ihr Modell auch lebbar wäre.
Nach dem Vortrag wollte sie liebend gerne noch mit Clara
etwas trinken gehen, hatte aber das Gefühl, besser nochmal bei Josue
vorbeizuschauen, um die Situation zu besprechen und zu hören, wie es gelaufen
war. Sie verabredeten sich für den nächsten Abend zu einem ausführlichen
Plausch in einer Cocktailbar.
„Clara, ich freu mich. Auch wenn ich zwischendrin eine
untreue Nudel bin, ich gehe wirklich gerne mit dir weg.“
„Emi, bis morgen.“
Sie umarmten sich und Emily brauste wieder zurück in die
Weststadt. Jetzt meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Was, wenn Josue immer
noch nicht da wäre und die Kinder inzwischen weinend in der Wohnung saßen und
alles Mögliche angestellt hatten? Sie rief sich zur Ordnung: Die Kinder haben
schon ganz andere Sachen erlebt mit dem betrunkenen Josue. Lizzy ist sehr
vernünftig, sie wird das schon hinkriegen. Dennoch merkte sie, wie sie immer
schneller fuhr.
Vor dem Haus angekommen, sah sie, dass oben Licht brannte.
Josues Wagen war nicht zu sehen, das hieß aber nichts, denn er musste oft in
einer anderen Querstraße parken.
Sie klingelte. Nichts rührte sich. Es erinnerte sie alles so
deutlich an die Situation vor einigen Wochen, dass sie schon wieder zu zittern
anfing. Als sie die Wohnungstür aufschloss, war von Kindern keine Spur. Aus der
angelehnten Wohnzimmertür drang Kerzenschein und Musik. Sie hörte Stimmen. Oh
nein, Camilla war da. Na, das hatte ihr gerade noch gefehlt. Wäre sie doch
lieber mit Clara etwas trinken gegangen. Sie ließ ihre Tasche auf den
Dielenboden gleiten, zog ihre Schuhe aus und hörte einige Wortfetzen, die sie
neugierig machten. Josue und Camilla schienen zu streiten. Das war spannend,
das hatte sie noch nie erlebt. Sie schlich näher an die Wohnzimmertür.
„Josue, das kann doch alles nicht dein Ernst sein. Willst du
dir bewusst deine Zukunft verbauen?“ Camilla war laut geworden.
Josues Stimme klang gepresst, als er antwortete: „Andersherum
wird ein Schuh draus. Ich sehe sonst einfach keine Zukunft für mich und die
Kinder.“
Von was redeten sie nur, fragte sich Emily.
„Die Kleine spielt doch wirklich nicht in unserer Liga. Ich
habe keine Ahnung, was du an ihr findest, dass du sie sogar heiraten willst!“
Camillas Stimme kippte vor Erregung.
Nicht unsere Liga, hallte es in Emily nach. Langsam begriff
sie, dass Josue ihr wohl gerade erst von der Hochzeit erzählt hatte.
„Sie ist wirklich süß und sie
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