Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
you know?“
Sie nickte und wandte sich dann Emily zu. „Wie gefällt es
Ihnen bisher in Heidelberg, sind wir Ihnen nicht zu provinziell, nachdem Sie
aus der Großstadt kommen?“
„Ich mag Heidelberg so gerne und habe das Gefühl, ich bin
hier schon mehr zuhause, als ich das in Hamburg jemals war.“
Frau Finkelstein lächelte warm. „Ja, nicht wahr, aber Heidelberg
nimmt einen auch mit offenen Armen auf. Was denken Sie denn, warum sich hier so
viele Menschen verlieben? Heidelberg ist wie eine Mutter, die ihnen die
Möglichkeit gibt, sich unter ihrem Schutz zu entfalten.“
„Ich spüre das auch manchmal. Je mehr ich mich mit der Stadt
beschäftige, desto mehr wächst sie mir ans Herz.“
„Emily möchte Stadtführerin werden.“ Clara blinzelte ihrer
Großmutter zu.
„Da habe ich sicher ein anderes Mal die ein oder andere
Geschichte zu erzählen.“
„Das wäre toll.“ Emily strahlte. Sie mochte Frau Finkelstein
gleich richtig gerne.
„Aber jetzt möchte ich Sie erst ein wenig näher
kennenlernen. Haben Sie auch schon Ihr Herz in Heidelberg verloren?“
„Oma, also wirklich! Emily, du musst dich in Acht nehmen,
die alte Dame ist ganz schön neugierig.“
„Ach, ein bisschen Spaß muss ich auch noch haben.“ Die
Angesprochene grinste.
Emily wurde schon wieder rot. Mit Clara hatte sie noch nicht
über Josue gesprochen. Mutig entgegnete sie: „Ja, es gibt da jemanden, aber da
muss noch viel Wasser den Neckar runterfließen, bis das was wird.“
Clara schaute sie aufmerksam an. „Also, du kennst ihn und er
kennt dich nicht?“, folgerte sie messerscharf.
„Doch, ich glaube, er hat mich schon wahrgenommen.
Allerdings weiß er noch nicht, dass ich mich in ihn verliebt habe.“
„Und Sie kennen ihn auch nicht richtig, Sie haben ihn nur
gesehen?“, fragte Claras Großmutter unschuldig. Jetzt fühlte sie sich doch
langsam wie vor einem Tribunal.
„Ja“, sagte Emily trotzig, „manchmal gibt es sie doch, die
Liebe auf den ersten Blick, oder?“
Frau Finkelstein schaute zu ihrer Enkelin, die nachdenklich
aus dem Fenster blickte. „Ich habe schon davon gehört, ja. Wie auch immer“,
wechselte sie das Thema, „wir drücken Ihnen die Daumen. Halten Sie uns auf dem
Laufenden, wenn sich etwas Neues entwickelt?“ Emily nickte schüchtern. Je mehr
Menschen sie davon erzählte, desto mehr sah sie sich in der Verpflichtung,
tatsächlich etwas zu tun. Das war doch gar nicht schlecht, oder doch?
„Dürfen wir diesen herrlichen Kuchen anschneiden, der schon
die ganze Zeit so verführerisch duftet?“
„Klar, sicher“, entgegnete Emily von ganz weit weg. „Es ist
ein Holsteiner Apfelkuchen, ein Rezept meiner Großmutter.“
Clara holte einige zarte Teller aus der Vitrine und legte
silberne Gäbelchen dazu. „Möchtest du Kaffee oder Tee, Emily?“
„Gerne Kaffee.“
Clara verschwand in die Küche. Frau Finkelstein sah sie
nachdenklich an. „Ich freue mich wirklich, dass Clara Sie kennengelernt hat.
Sie kann nicht so viel anfangen mit vielen der jüngeren Studierenden.“
„Das geht mir leider genauso, ich komme mit manchen einfach
nicht in Kontakt.“
„Das ist der Preis eines späten Studiums.“
„Na ja, wenn das der einzige ist, dann geht es ja noch“,
erwiderte Emily. Sie trat ans Fenster. „Sie haben es so schön hier.“
„Von der Terrasse aus werden wir nachher in der ersten Reihe
sitzen bei der Schlossbeleuchtung. Ich genieße das wirklich dreimal pro Jahr.
Aber ansonsten bringt so ein Anwesen auch viele Verpflichtungen mit sich. Sehen
Sie sich nur den Garten an.“
„Leider habe ich gar keinen grünen Daumen, sonst würde ich
Ihnen gerne meine Hilfe anbieten.“
„Vielen Dank, das ist trotzdem nett von Ihnen. Ich habe einen ausgesprochen grünen Daumen, aber leider
keinen grünen Rücken mehr.“ Frau Finkelstein lächelte, als Clara mit dem
Kaffee wiederkam. „Meine Enkelin interessiert sich mehr für die Malerei als für
die Gartenkunst“.
„Zeigst du mir nachher noch ein paar Bilder von dir?“,
fragte Emily neugierig.
„Jetzt möchte ich aber erst mal diese Leckerei hier
probieren“, erwiderte Clara.
Die Zeit verging wie im
Flug. Emily fühlte sich unglaublich wohl mit Clara und ihrer Großmutter. Sie
erinnerte sich an ihre Oma, die Mutter ihrer Mutter, die sie geliebt hatte und
bei der sie viel Zeit verbracht hatte. Sie wohnte auf der Insel Pellworm und
Emily war fast jede Schulferien bei ihr. Vor etwa fünf Jahren war sie dann an
einem Herzinfarkt
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