Ein Kelch voll Wind
kay«, sagte ich, kaum in der Lage zu sprechen. »B is dann.« Ich klickte den Anruf weg und tat ein paar tiefe Atemzüge, wie um mich von einem anstrengenden Lauf zu erholen.
Mir gegenüber blickte mich Racey spöttisch an. »S ag nichts«, meinte sie. »L ass mich raten: Er hat dein Angebot wundersamerweise angenommen.«
Ich musterte meine Freundin. »W ieso magst du ihn nicht?« So, nun hatte ich es ausgesprochen.
Racey wirkte verblüfft. »I ch habe nie gesagt, dass ich ihn nicht mag. Es ist nur… Du gehst ziemlich ran. Dabei kennst du ihn gar nicht richtig.«
»D as hat uns doch noch nie abgehalten«, erwiderte ich. Seit wir fünfzehn waren, hatten Racey und ich die Jungs um den kleinen Finger gewickelt. Dies war das erste Mal, dass sie mich dazu anhielt, es langsamer angehen zu lassen. »W o ist das Problem?«
Racey rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl hin und her. »I ch weiß es nicht«, gab sie zu. »E r ist anders als die anderen.«
»J aaa«, sagte ich. »A bsolut.«
Racey zögerte noch immer. »I ch weiß wirklich nicht, was es ist. In seiner Gegenwart habe ich automatisch das Gefühl… vorsichtig sein zu müssen.«
Nachdenklich sah ich sie an. Stand Racey auf André? Nein, das konnte ich mir immer noch nicht vorstellen. Und wenn es so wäre, ich würde es spüren. Wie auch immer, aus irgendeinem Grund konnten die beiden nicht miteinander. Und ich würde mir darüber keine Sorgen machen.
»O kay«, sagte ich und schaltete in den Partymodus um. »Z eig mir deine Liste. Wir müssen einkaufen gehen.«
Kapitel 29
Thais
»V erdammt, verdammt, verdammt! Wo zur Hölle sind sie nur?«
Krach.
Durch einen Wecker geweckt zu werden, war sicher angenehmer. Andererseits war es längst nicht so schlimm, wie einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf gekippt zu bekommen. Neben mir blickte der gähnende Minou beleidigt drein. Benommen sah ich auf die Uhr. Zehn. Anscheinend hatte mich eine weitere unruhige Nacht dazu gebracht, endlich einmal auszuschlafen.
Aber wieso war Axelle schon so unerhört früh auf den Beinen?
»S ie waren genau hier!«, hörte ich sie aus dem Wohnzimmer kreischen.
Ich streifte mir eine Fitnessshorts über und schlich mich vorsichtig hinaus. Axelle hatte den Raum komplett auseinandergenommen. Sofakissen und ein umgekippter Tisch lagen auf dem Boden. Den Korb mit dem Feuerholz neben dem Kamin hatte sie ebenfalls umgestoßen. Zeitungen, Magazine und Kleider waren über den gesamten Boden verteilt.
In einem Wort, das Zimmer sah noch chaotischer aus als gewöhnlich. Und wer war die einzige Person weit und breit, die sich darum kümmern würde, hier wieder Ordnung zu schaffen?
Immer noch schreiend hob Axelle mein französisch-englisches Wörterbuch auf und schleuderte es quer durch den Raum. Es knallte mit voller Wucht an die gegenüberliegende Wand, und bei der Gelegenheit sah ich, dass die Tür zu dem geheimen Dachboden weit offen stand, so als hätte Axelles Suche dort oben begonnen und sich nach und nach auch auf den weltlichen Teil ihres Apartments ausgeweitet.
»H ey!«, rief ich und eilte zu dem Buch hinüber, um es aufzuheben. »D as gehört mir!«
Axelle sah mit irrem Blick zu mir auf. So durchgedreht hatte ich sie noch nie gesehen. Normalerweise lebte sie in der aufreizend gemächlichen Gangart einer Katze und verschwendete ihre Energie allerhöchstens darauf, sich zu überlegen, welche Schuhe am besten zu welcher Tasche passten. Doch heute sah sie aus, als sei sie schon seit Stunden auf den Beinen, und sogar ihr sonst so seidig glänzender schwarzer Bob war heillos zerzaust.
»W as ist passiert?«, fragte ich. »N ach was suchst du denn?«
»N ach meinen Pokalen!«, rief sie schrill und zerrte an ihren Haarsträhnen, so als wären diese ihr letzter, brüchiger Anker geistiger Gesundheit. »Das sind F amilienerbstücke, verdammt noch mal!«
Ich schaute mich um und versuchte mich zu erinnern, ob ich etwas in der Art hier hatte rumliegen sehen. »W aren sie silbern? Aus Kristall? Oder was?«
»S ie waren aus Holz!«, schrie Axelle verzweifelt. »H andgeschnitztes Zypressenholz! Sie sind unersetzbar! Also ich meine, für mich persönlich! Das ist eine Katastrophe!«
»H ölzerne Pokale?« Furcht überkam mich. »W ie viele waren es denn?« In Wirklichkeit wusste ich es längst.
»V ier!«, kreischte Axelle und sah aus, als sei sie den Tränen nahe. »V ier hölzerne Pokale!« Ihr schien der Unterton in meiner Stimme aufgefallen zu sein, denn sie blickte auf und ihre
Weitere Kostenlose Bücher