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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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deren Stimme vor Erregung zitterte und die kaum imstande war, die Tränen zurückzuhalten. Ohne Erklärung lief sie plötzlich auf Mrs. Harris zu, nahm sie in den Arm und drückte sie einen Augenblick fest an sich. «Oh, Sie wunderbare, wunderbare Frau!» rief sie, dann drehte sie sich um und flüchtete aus der Kabine. Sie ging in eine andere Zelle, in eine leere, wo sie allein war und den Kopf auf die Arme legen konnte, um vor Freude über die Mitteilung zu weinen, die da lautete: «Bitten Sie Ihren Gatten, mich morgen zu besuchen. Vielleicht kann ich ihm behilflich sein — Chassagne.»

Elftes Kapitel

    Für den letzten Abend von Mrs. Harris’ zauberhaftem Aufenthalt in Paris hatte Monsieur Fauvel ein wunderbares Fest für sie und Natascha vorbereitet: ein Diner in dem berühmten Restaurant Pré Catalan im Bois de Boulogne. Hier, in der romantischsten Umgebung der Welt, im Freien, unter den mächtigen Ästen einer ehrwürdigen, hundertsechzig Jahre alten Buche, in deren dichtbelaubten Zweigen Lampen leuchteten, während irgendwo heitere Musik erklang, schmausten sie die köstlichsten und üppigsten Speisen und tranken den besten Wein, den Monsieur Fauvel auf treiben konnte.
    Und trotzdem begann gerade dieser Abend, der der glücklichste für die drei werden sollte, mit eigentümlicher und rührender Traurigkeit.
    Monsieur Fauvel sah sehr vornehm und stattlich aus im Smoking, an dessen Aufschlag er das Band des Ordens trug, der ihm im Krieg verliehen worden war. Und Natascha hatte nie einen hinreißenderen Anblick geboten als in diesem Abendkleid aus Rosa, Grau und Schwarz, das ihre zarten Schultern und den makellosen Rücken zeigte. Mrs. Harris war gekommen, wie sie war — mit Ausnahme einer neuen, ein wenig gewagten, durchsichtigen Spitzenbluse, die sie sich für einen Teil ihrer übrigen Pfundnoten gekauft hatte.
    Über dem Entzücken und der Erregung, die Ort und Stunde und die Erwartung des morgigen Tages in Mrs. Harris hervorriefen, lag nur ein leiser Hauch von Trauer, weil sie wußte, daß alle guten Dinge ein Ende haben und daß sie diese Menschen verlassen mußte, die sie in dieser kurzen Zeit so liebgewonnen hatte.
    Doch auf Monsieur Fauvel und Mademoiselle Petitpierre lastete eine viel tiefere und bedrückendere Traurigkeit. Beide waren zu dem Schluß gekommen, daß die idyllischen Tage, die sie miteinander verbracht hatten, vorbei sein würden, sobald Mrs. Harris abfuhr.
    Natascha war im Pré Catalan keine Fremde. Zahllose Male war sie zum Dinieren und Tanzen von reichen Bewunderern hierhergeführt worden, die ihr nichts bedeuteten, die sie auf der Tanzfläche eng an sich drückten und unaufhörlich von sich selber oder vom Essen sprachen. Es gab nur einen einzigen Menschen, mit dem sie zu tanzen und in dessen Arm sie sich zu schmiegen wünschte, und das war der unglücklich aussehende junge Mann, der ihr gegenübersaß und sie nicht einmal dazu aufforderte.
    Üblicherweise wissen in jedem Land zwei junge Menschen Mittel und Wege, um Zeichen und Nachrichten auszutauschen und schließlich zueinanderzufinden; nur in Frankreich können sich der Verständigung bisweilen merkwürdige Hindernisse in den Weg stellen, besonders wenn die beiden aus dem gleichen Stand hervorgegangen und ihm immer noch verhaftet sind. So liefen auch Monsieur Fauvel und Mademoiselle Petitpierre trotz der gemeinsam verlebten Abende, der Sterne, Lichter und Musik Gefahr, aneinander vorüberzugehen.
    Denn als Monsieur Fauvel das Mädchen mit vor Liebe verschleierten Augen betrachtete, war ihm bewußt, daß dies der angemessene Rahmen für Natascha sei — hier gehörte sie hin, unter die Fröhlichen, Leichtherzigen und Reichen. Und nicht zu ihm. Noch nie im Lauf seines bescheidenen Lebens war er in einem so festlichen und farbenprächtigen Restaurant gewesen, und er glaubte mehr denn je, daß Natascha ihn lediglich Mrs. Harris’ wegen neben sich dulde. Er wußte, daß sich zwischen diesem strahlenden Geschöpf, Diors Star-Mannequin, und der kleinen Putzfrau eine seltsame Zuneigung entwickelt hatte. Aber schließlich mochte er selber Mrs. Harris auch sehr gern. Auf irgendeine Weise schien diese Engländerin alle Herzen zu gewinnen.
    Und Natascha wiederum fühlte sich gerade wegen André Fauvels solider Bürgerlichkeit, nach der es sie so sehr verlangte, aus seinem Leben ausgeschlossen. Nicht einmal im Traum würde es ihm einfallen, eine wie sie zu heiraten, die ihm verwöhnt und leichtsinnig erscheinen mußte, versessen darauf, sich

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