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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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großgezogen und liebte ihn ganz genauso. Er machte sich genauso Sorgen um ihn wie sie. Er zeigte es bloß nicht so. Sie konnte das Gespräch jetzt unmöglich auf Johns Abstammung bringen. Weder jetzt noch irgendwann.
    Â»Komm, trinken wir eine Tasse Kaffee, Schatz«, sagte Joe.
    Ellen putzte sich noch einmal die Nase und wischte sich über die Augen. Aber sie gab Joe das Taschentuch nicht zurück. Sie hielt es zu einer Kugel zusammengerollt in der Hand, ihr eigenes kleines Trosttuch.
    Ellen sorgte sich von früh bis spät um John. Manchmal wachte sie auch nachts schweißgebadet auf, Angst und Sorge nagten an ihr, und ihre Gedanken ließen ihr keine Ruhe.
    Täglich verfolgte sie die Nachrichten. Einerseits hatte sie Angst davor, die Zeitung aufzuschlagen oder den Fernseher und das Radio anzuschalten, weil jede Neuigkeit über weitere Kriegsopfer ihr auf den Magen schlug, andererseits fühlte sie sich von den Nachrichten beinahe zwanghaft angezogen.
    Sie hörte sich die Rede von Präsident Johnson zur Lage der Nation an und hoffte inständig auf ein Licht am Ende des Tunnels, wurde aber stattdessen von seinen Worten ernüchtert:
    Â»Der Krieg in Vietnam unterscheidet sich von den früheren Kriegen Amerikas. Trotzdem ist Krieg immer gleich. Junge Männer sterben in der Blüte ihrer Jahre. Krieg bedeutet, einen Menschen zu töten, den man gar nicht gut genug kennt, um ihn zu hassen … Wenn man den Krieg erlebt, weiß man, dass es immer noch Wahnsinn auf dieser Welt gibt.«
    Die Antikriegsdemonstrationen schossen wie Pilze aus dem Boden; es gab kaum eine größere Stadt, in der noch keine Aufläufe und Protestmärsche stattgefunden hatten. Unzählige Menschen waren des Blutvergießens ebenso überdrüssig wie Ellen, und dennoch ging der Krieg weiter. Inzwischen wurden B52-Bomber eingesetzt, um Städte und Dörfer dem Erdboden gleichzumachen; jede dieser Maschinen transportierte hundert Bomben, die aus einer Höhe von sechs Meilen abgeworfen wurden. Ellen war froh, dass John wenigstens Jagdflugzeuge flog; sie wusste, dass ihn die Massenvernichtung durch die Bombardierungen ebenso abgestoßen hätte wie sie selbst; das hatte er einmal sehr vehement geäußert:
    Â»Ich hoffe bei Gott, dass ich so etwas nie unschuldigen Menschen antun muss«, hatte er gesagt. »Das möchte ich nicht auf dem Gewissen haben, selbst wenn es für mein Land sein sollte.«
    Aber es gab genügend andere Dinge, um die man sich Sorgen machen musste. Die Tan Son Nhut Airbase war angegriffen worden, wobei zwölf US -Hubschrauber und neun Flugzeuge zerstört wurden; es hieß, es gebe einhundertvierzig Todesopfer. Einhundertvierzig, mein Gott! Und Phantomjäger, die Flugzeuge, die John flog, waren in Luftkämpfe über Hanoi verwickelt, obwohl Washington ihnen untersagt hatte, die MiG-Luftstützpunkte im Norden des Landes anzugreifen.
    Ellen verfolgte die Nachrichten und zitterte. Es schien kein Ende in Sicht zu sein. Gar kein Ende. Und das Wissen, dass John dort inmitten der Kämpfe war, folgte ihr überallhin wie eine erdrückende Wolke und warf einen Schatten auf die Zeit, die eigentlich die glücklichste und unbeschwerteste in ihrem Leben hätte sein sollen.
    In jenem Frühjahr lernte Ellen auch Bob Lintern kennen. Er war fünf Jahre älter als sie, ein Ingenieur aus England; es ist fast ein Wunder, dachte Ellen, dass sich unsere Wege überhaupt gekreuzt haben. Auf jeden Fall bot Bob ihr eine willkommene Ablenkung von der Sorge um John, die ihr Leben bestimmte.
    Zum ersten Mal sah sie Bob im T-Bone Steak House. Dorthin war sie mit einer Clique von Freunden aus der School of Business Studies gegangen, um das Studenten-Spezialmenü zu essen, das das T-Bone ab und zu anbot. Das T-Bone war eine Mischung aus einem Schnellrestaurant und einer altmodischen Saloon Bar; rustikale Holzpaneele an den Wänden kontrastierten mit Kunststoffflächen, weiche Kissen sollten die harten Bänke in den symmetrisch angeordneten Sitzecken bequemer machen. Auf den Tischen standen Kerzen in dunkelgrünen, dick mit Wachs betropften Flaschen. Sie konnten aber mit ihrem schwachen Schein nicht gegen die grellen Neonlampen ankommen, die von der Decke strahlten. Ein intensiver Geruch nach gebratenen Zwiebeln und Pommes frites zog aus dem Küchenbereich herüber, wo der mexikanische Koch – gut sichtbar für die Gäste –

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