Ein Knödel zu viel: Kriminalroman (German Edition)
Angriff Wackerzapps, der inzwischen tot war, Anelli und schließlich die Gewissheit, ganz kurz vor dem Durchbruch in ihrem jüngsten und lukrativsten Geschäft zu stehen: Das war selbst ihr in den vergangenen Wochen zu viel geworden. Und nun der Anruf von Bongarts.
»Mädchen, ich merke schon, mit dir ist heute nicht mehr viel los. Ich werde jetzt gemütlich mein Bier austrinken und dich in Ruhe lassen.«
Carina Bauer hörte jemanden in ihrer Wohnung wimmern. Panisch blickte sie sich um, bevor sie merkte, dass sie selbst es war.
»Eines noch, Carina. Bevor du ins Bett gehst, schau in deinen Briefkasten. Die Fotos sind wirklich gelungen.«
Es klickte in der Leitung.
Obwohl Bongarts aufgelegt hatte, hielt Carina Bauer das Telefon weiter an ihr Ohr gepresst und sank, gegen die Wand gestützt, langsam zu Boden.
Sie hatte das Gefühl, eine Ewigkeit auf dem Boden gehockt zu haben, als sie sich schließlich mühsam aufrichtete. Sie hatte keinen klaren Gedanken fassen können. In ihrem Kopf herrschten Chaos und Leere zugleich. Stöhnend stand sie schließlich an der Tür. Sie traute sich nicht, sie zu öffnen. Was hatte Bongarts gesagt von Fotos in ihrem Briefkasten?
Sie legte ihre Hand auf die Türklinke, aber sie hatte keine Kraft, sie hinunterzudrücken. Was, wenn Bongarts die Tür aufdrückte und sich in ihre Wohnung drängen würde? Sie erinnerte sich an seine Statur. Er war grob und untersetzt, harte Hände, ein feistes Gesicht. Fettiges Haar. Er würde brutal sein.
Aber ihr blieb keine Wahl. Entschlossen zog sie ruckartig die Wohnungstür auf und sah sich um. Der Flur war leer. Hastig rannte sie die Stufen zur Haustür hinunter und öffnete mit fahrigen Händen ihren Briefkasten. Tatsächlich, ein brauner Umschlag. Sie flog fast die Treppe hinauf. Zurück in ihrer Wohnung, schloss sie die Tür und lehnte sich dagegen. Atemlos sah sie den Umschlag an. Dann riss sie ihn auf.
Was sie sah, ließ sie aufschreien.
Es waren ein knappes Dutzend Fotos. Dieses Schwein! Wackerzapp hatte sie beim Sex heimlich fotografieren lassen. Kämen die Bilder an die Öffentlichkeit, könnte sie einpacken. Sie könnte keinem Klienten mehr ins Gesicht sehen. Außerdem würde die bloße Existenz der Fotos belegen, dass sie für Anelli eine Belastung war. Wer unter Beobachtung stand, konnte mit den Italienern keine Geschäfte mehr machen.
Die übrigen Aufnahmen zeigten sie bei einem Empfang in der Staatskanzlei vor einem guten Jahr, in ein Gespräch mit Büschgens vertieft, sie in der Wohnung in Rottach, an einem Tisch mit Kurzius und Dürselen, sie in einem offenen Cabrio, neben sich mehrere Motorradfahrer, darunter Landtags- und Bundestagsabgeordnete, erneut Büschgens sowie eine blonde Frau in knapper Lederkombi.
Carina Bauer rannte ins Bad und übergab sich würgend. Sie starrte lange in den Spiegel und wankte dann ins Wohnzimmer zurück. Erschöpft ließ sie sich auf das weiße Sofa sinken.
Bongarts. Was wusste er? Rainer hatte nie viel über ihn erzählt. Aber er hatte ohnehin nie viel über sich und das, was er eigentlich machte, gesprochen. Ihr war das nur recht gewesen. Sie hatte die schmutzige Seite ihres Geschäftes bisher immer erfolgreich ausblenden können.
Das war ein Fehler gewesen. Sie würde sich mit Bongarts treffen müssen. Sie musste wissen, was er zu sagen und zu verkaufen hatte. Hatte er nur durch Zufall von ihren Geschäften erfahren, wollte er jetzt als Trittbrettfahrer Kasse machen? Oder wusste er mehr? War er nur ein Spanner, ein Psychopath?
Ob nicht gar Anelli hinter Bongarts stand? Zuzutrauen wäre es ihm. Anelli war ein eifersüchtiger Liebhaber gewesen. Von Anfang an. Er hatte nicht akzeptieren wollen, dass sie ihn nur unter »ferner liefen« einsortiert hatte. Wollte er sich nun an ihr rächen? Er hatte eigentlich keinen Grund, dachte Carina Bauer. Sie hatte immer mit offenen Karten gespielt. Im Gegensatz zu ihm. Nicht, wenn es um eine gemeinsame Nacht ging oder um eine schnelle Nummer im Fahrstuhl. Er hatte sie betrogen, was seine Familie und deren Absichten betraf.
Sie hatten sie nur benutzt und dann versucht, sie kaltzustellen. Dabei hatte sie den Löwenanteil der Arbeit geleistet. Und damit auch den Löwenanteil verdient. Leuchtenberg hätte sie nie mit Anelli zusammenbringen dürfen. Dass diese Leute gefährlich waren, hatte sie spätestens nach den Morden in der Duisburger Pizzeria gewusst.
Ihr Entschluss stand fest. Sie würde sich auf ein Treffen mit Bongarts einlassen. Und dann die Sache
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