Ein Kuss für die Ewigkeit
stehen blieben. Die Wunde an seinem Bein schmerzte, und die Ketten wogen fast so schwer wie seine Verzweiflung. Dann auf einmal bemerkte er eine große Gruppe bewaffneter Soldaten, die in ihm fremde Farben gekleidet waren. An ihrer Spitze befand sich eine Frau.
Lizette! Oh, gnädiger Gott, sie lebte, und sie war nicht Wimarcs Gefangene! Dieser verdammte Lügner … aber sie war in Sicherheit und sie war mit einer kleinen Armee hergekommen, die ihr Rückendeckung gab.
„Wer ist die Frau?“, fragte Ryder leise.
„Lady Elizabeth d’Averette.“
Bevor man Ryder weggezerrt von ihm hatte, war es Finn noch möglich gewesen, seinem Bruder alles über Lizette zu erzählen, ausgenommen jedoch die Tatsache, wie sehr er sie liebte. Er wollte nicht, dass Ryder sich schuldig fühlte, weil Finn seinetwegen eine Geliebte verloren hatte.
Es erstaunte ihn nicht, dass Lizette einen ängstlichen Eindruck machte und so wirkte, als hätte sie seit Tagen nicht geschlafen.
Er wandte seinen Blick von ihr ab, von dem blauen Wollkleid und dem mit Pelz besetzten Mantel, dessen Kapuze sie über den Kopf gezogen hatte, und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Soldaten hinter ihr. Es handelte sich um mindestens fünfzig Mann, alle gut bewaffnet, mit Kettenhemd und Helm. Auf den Schilden prangte ein Wappen, das er nicht kannte.
Dafür jedoch kannte er einen der Männer, von denen sie begleitet wurde: den Schotten, den sie für tot gehalten hatten. Wie durch ein Wunder hatte er überlebt und Lizette gefunden. Vielleicht würde er ihnen jetzt auch wie durch ein Wunder helfen.
„Mylady“, verkündete Lord Wimarc. „Wie Ihr seht, habe ich Eure Forderungen erfüllt. Hier sind die Gefangenen mitsamt Eurem angeblichen Ehemann und seinem gesetzlosen Bruder.“
Offenbar hatte er die Wahrheit über Ryder erfahren.
Lizette, die wunderschöne, kühne, mutige Lizette ließ ihr Pferd ein paar Schritte nach vorn machen, dann streckte sie die Hand aus, in der sie etwas hielt. „Und hier sind wie versprochen Eure Briefe. Befreit Finn und die anderen von ihren Ketten, dann gehören die Briefe Euch.“
Sie wollte den Beweis für Wimarcs Verrat gegen ein paar Gefangene eintauschen und dabei das ganze Reich in Gefahr bringen? Das durfte sie nicht machen! Auf keinen Fall!
Finn wollte ihr zurufen, dass sie das nicht tun sollte, doch dann blickte sie in seine Richtung. Und in diesem Moment verstand er. Wieso er verstand, vermochte er nicht zu sagen. Womöglich war es der Ausdruck in ihrem Gesicht, vielleicht die Art, wie sie leise lächelte, oder irgendeine andere unterschwellige Geste, die er in der gemeinsamen Zeit an ihr wahrgenommen hatte. Auf jeden Fall wusste er, dass Wimarc aus diesem Handel nicht als Gewinner hervorgehen würde.
„Ja, Euer Geliebter lebt“, sagte Wimarc, der beharrlich auf die Pergamente in Lizettes Hand starrte. „Er ist wohl etwas schmutziger als beim letzten Mal, da Ihr ihn gesehen habt, aber er lebt.“
Wimarc brüllte einen Befehl, woraufhin sich zwei seiner Männer daranmachten, die Fesseln und Ketten zu lösen, angefangen bei Finn, der sich die wunden Handgelenke rieb und den Adligen weiter im Auge behielt.
„Halt dich bereit“, flüsterte Finn seinem Bruder zu.
„Wofür?“, murmelte Ryder.
„Für alles.“
Als alle Gefangenen sich frei bewegen konnten, verlangte Lizette: „Lasst sie zu uns kommen, dann überreiche ich Euch die Briefe.“
„Wie kann ich sicher sein, dass Ihr das machen werdet? Oder dass die Briefe echt sind?“, rief Wimarc.
„Weil ich Euch mein Wort gegeben habe“, erwiderte sie so verächtlich und herablassend wie eine Königin.
Mit einer schroffen Geste bedeutete er Finn und den Gefangenen, zu Lizette und den Soldaten zu gehen.
Sie beobachtete lächelnd, wie die Gruppe sich ihr näherte, und Finns Herz wurde von Angst und Sehnsucht, Furcht und Hoffnung erfüllt. „Du siehst aus, als könntest du ein Bad gebrauchen“, sagte sie, als er sie erreicht hatte.
Selbst jetzt in dieser Situation schaffte sie es, dass ihm warm ums Herz wurde. „Ein verlockender Gedanke“, erwiderte er und verbeugte sich förmlich. „Mylady, darf ich Euch meinen Halbbruder Ryder vorstellen? Ryder, dies ist Lady Elizabeth d’Averette.“
„Mylady“, murmelte Ryder, während Lizette ihm zum Gruß zunickte.
„Werdet Ihr mir jetzt diese Briefe geben oder nicht?“, fragte Wimarc ungehalten.
„Selbstverständlich. Schließlich habt Ihr ja mein Wort“, betonte Lizette. Mit entschlossener Miene
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