Ein Kuss für die Ewigkeit
freilassen.
Zu dumm, dass er auf Lady Elizabeth d’Averette angewiesen war, wenn er seinen Bruder retten und diese Burg lebend verlassen wollte. Aber er würde sie nicht noch einmal anfassen, auch nicht unter dem Vorwand, ihre Tarnung zu wahren.
Und sie sollte sich besser beeilen, ein anderes Gewand zu finden – am besten eines mit einem Kragen, der ihr bis zum Kinn reichte. Wenn er sie in diesem rot-goldenen Kleid sah, konnte er kaum einen klaren Gedanken fassen, und seit letzter Nacht war das umso schlimmer geworden, da ihn die Erinnerung daran verfolgte, wie sich ihr Körper unter seinem anfühlte. Er hatte kaum geschlafen, da er fürchtete, er könnte sie im Schlaf unabsichtlich berühren und dem Wunsch erliegen, sie zu küssen.
Bei Gott, in seinem ganzen Leben hatte er noch nie eine Frau so sehr begehrt wie sie. Dass er sie dann auch noch als seine Frau ausgeben und mit ihr das Bett teilen musste, stellte ihn vor eine größere Herausforderung als seine Rolle als Lord Gilbert of Fairbourne.
Zumindest war das bis gerade eben der Fall gewesen.
Von nun an würde es wesentlich leichter werden.
Er betrat den großen Saal und entdeckte Wimarc, der sich zum Abendessen an seine Tafel in die Nähe des großen Kamins gesetzt hatte. Finn presste die Lippen zusammen und wurde langsamer, um zu entscheiden, welche Rolle er am besten spielen sollte. Den aufgebrachten Ehemann?
Das würde kein Problem sein, schließlich war er aufgebracht.
Den gescholtenen kleinlauten Gatten?
Das wäre schon schwieriger. Vor einem arroganten Weib wie Lady Elizabeth d’Averette würde er sich niemals kleinkriegen lassen, auch wenn sie glaubte, etwas Besseres zu sein.
Den Ehemann, der sich seines Ehebruchs rühmt, zumindest in der Gesellschaft anderer Männer von ebenbürtigem Rang und Status? Wesentlich angenehmer.
Reizvoller noch war es aber, wenn er den Ehemann mimte, der wütend darüber war, dass er kurz vor dem Ehebruch ertappt worden war, der zugleich aber Stolz empfand, weil er beinahe ein Dienstmädchen verführt hätte. Es war ein weit verbreiteter Dünkel unter Adligen, sich für unwiderstehlich zu halten.
„Ihr seht verärgert aus, Mylord“, begrüßte Wimarc ihn, als Finn sich zu ihm stellte und sich die Hände am Kamin rieb, dessen Wärme den kalten Hauch des herbstlichen Abends ein wenig milderte.
„Ich bin mir sicher, Ihr könnt den Grund dafür erraten“, antwortete Finn und stützte sich mit einem Arm auf dem Kaminsims ab, während er mit der Schuhspitze den Rand einer Steinplatte nachzeichnete. „Die Beschimpfungen durch meine Frau waren vermutlich überall auf dem Hof zu hören. Ich muss Euch auch zu meinem Bedauern mitteilen, Mylord, dass sie in ihrer Wut den Wandteppich in unserem Gemach heruntergerissen hat.“
„Mein Gott, sie hat wahrhaftig ein feuriges Temperament“, erwiderte Wimarc, winkte aber nachlässig ab. „Aber das mit dem Wandteppich ist kein Drama. Der kann ohne Weiteres geflickt und ersetzt werden.“
„Und ein Stück Mörtel ist auch noch aus der Wand gerissen worden.“
Wimarc ließ sich nichts anmerken, sondern seufzte nur. „Frauen regen sich so schnell auf. Sie sollten begreifen, dass ein Mann seine Bedürfnisse hat, und eine kleine Liebelei mit einem Dienstmädchen ist nun wirklich völlig bedeutungslos.“
„Ja, das sollten sie begreifen. Man könnte glauben, ich hätte meine Frau um die Hochzeitsnacht gebracht. Dabei war es nur ein Kuss.“
„Und Ellie lässt sich nur allzu leicht zu einem Kuss und oftmals zu noch mehr verleiten“, meinte Wimarc und zwinkerte ihm zu. „Ohne sie wären meine Nächte hier sehr einsam.“
Finn sah seinen Gastgeber erschrocken an. „Ich hoffe, ich habe nicht Euch vor den Kopf gestoßen, Mylord. Mir war nicht bewusst, dass Ihr …“
„Ich bin gern zum Teilen bereit“, beruhigte Wimarc ihn. „Ellie ist nur ein Dienstmädchen, wenngleich auch sehr geschickt. Aber wenn ich Euch einen Ratschlag unter verheirateten Männern geben darf: Vergnügt Euch am besten dort, wo Ihr nicht damit rechnen müsst, von Eurer Frau überrascht zu werden.“
„Aber Ellie ist hier, wo Eure Frau für gewöhnlich auch ist.“
Wieder lachte Wimarc auf diese sonderbare, tonlose Art. „Sie dient nur gelegentlich meinem Vergnügen, wenn meine Frau nicht hier ist. Wenn Roslynn sich zu Hause aufhält, habe ich anderswo andere Frauen zur Verfügung.“
„Ihr seid ein kluger Mann, Mylord“, äußerte sich Finn scheinbar beeindruckt. „Wäre ich doch heute
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