Ein Land, das Himmel heißt
gibt da ein Problem, Sah, tut mir Leid, Sah. Es ist das Folgende, ich bin allein hier, und niemand hat mir Benzin für mein Auto gegeben, Sah, es ist mir also nicht möglich zu fahren, sonst würde ich das Problem adressieren, verstehen Sie, Sah?« Das letzte Wort brüllte Phillip Court und schlug sich mit der Faust in die Handfläche. »Es ist doch nicht zu fassen! Er hat kein Benzin für sein verdammtes Polizeiauto, und außerdem ist die Frau ja nicht tot. Carlotta, das ist nicht zum Lachen! Das ist blutiger Ernst. Das ist unser neues Südafrika.«
Carlotta war in einen Sessel gesunken und lachte, dass ihr die Tränen kamen, bei den nächsten Worten ihres Mannes versiegten sie jedoch schlagartig.
»Ich bringe Nelly jetzt persönlich zur Polizei und komme erst wieder, wenn die Kerle sie ins Kittchen gesteckt haben!« Schäumend vor Wut stürmte Phillip hinaus.
Erst viel später, als Jill über die Szene noch einmal nachdachte, spürte sie ein merkwürdiges Gefühl, so als stünde sie ohne Halt auf schmalem Grat in großer Höhe. Ihr Vater hatte die Polizei um Hilfe gebeten, und die hatte sie verweigert, weil der eine Mann, der für die Station der gesamten Region zuständig war, kein Benzin für den Streifenwagen hatte und weil das Opfer nicht tot, sondern nur verletzt war. In dem Gefüge ihres täglichen Lebens gab es gewisse Eckpfeiler, die unverrückbar feststanden. Rief man zum Beispiel die Polizei zur Hilfe, kam sie, und zwar schnell. Sie blickte hinaus in den gleißenden Himmel Afrikas. Bekam er einen Riss? Zog ein Unwetter über den Horizont? Würde die Erde beben? Doch die Sonne schien wie immer, der Himmel zeigte ein gleichmäßiges, schimmerndes Blau. Beruhigt wandte sie sich ab.
In der Ferne hörte sie die Kinder der Farmarbeiter singen, wie sie es jeden Tag zum Abschluss ihres Unterrichts taten. Klar und hell wie die jubilierender Lerchen stiegen ihre Stimmen auf.
Nkosi S’ikele Afrika.
Gott schütze Afrika.
*
In ihrem dunkelblauen Sonntagskostüm mit weiß bebändertem Hut und weißen Schuhen stand Nelly zwei Wochen später vor Gericht, und es bereitete Jill Mühe, sich nicht von der Komik dieser an sich ernsten Situation überwältigen zu lassen.
»Ich bin gestolpert, Euer Ehren«, klagte Nelly, kreuzte dabei die Hände vor die Brust, »dabei ist die Flasche, die ich in der Hand trug, zerbrochen. Es war Öl drin«, schweifte sie ab, »teures Öl, sehr, sehr teuer, und sie war ganz voll.«
Der Richter, ein gemütlich wirkender Schwarzer im schwarzen Talar, dem der Schweiß in Strömen unter der wolligen weißen Zopfperücke hervorlief, forderte sie mit deutlicher Ungeduld auf, zur Sache zu kommen.
Nelly sandte ihm einen beleidigten Blick. »Ich stand da, und dann ist mir Thokozani in die Flasche gelaufen und hat sich geschnitten«, sagte sie, »das ist die Wahrheit, gepriesen sei Gott unser Herr.« Jeden Satz beendete sie so, und ihre Familie, die zwei Bänke im Zuschauerraum besetzte, nickte beifällig.
Der Staatsanwalt, hager, weißhäutig, rotgesichtig, hinterfragte die Situation noch kurz, aber Nelly lief zu Hochform auf, nannte ihn ebenfalls Euer Ehren, rief immer wieder Gott als Zeugen an und forderte ihre Familie auf, ihre Darstellung zu bestätigen, bis er ihr den Mund verbat und ihr befahl, sich zu setzen.
Thoko wurde hereingerufen und vernommen und Nelly trotz tränenreicher Proteste daraufhin zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt. Doch sie bekam Bewährung auf Grund ihres Gesundheitszustandes und der Tatsache, dass sie noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Allerdings musste sie Thokozani Schmerzensgeld zahlen.
Triumphierend an der Spitze ihrer Sippe marschierend, verließ Nelly hoch erhobenen Hauptes das Gerichtsgebäude. Später sah Jill, wie sie sich, ein gackerndes Huhn an den zusammengebundenen Beinen tragend, auf den Weg zu ihrem Sangoma machte.
»Und Sonntag geht sie in die Kirche und dankt Gott, Jesus und der Jungfrau Maria«, kommentierte ihre Mutter ironisch, die Nelly ebenfalls beobachtete.
An nächsten Morgen stand die alte Zulu wie immer in der Küche und bereitete das Frühstück vor. Carlotta zog ihr, wie angedroht, die Krankenhauskosten für Thoko ab, strich ihr jede Vergünstigung, bestand darauf, dass sie Bongiwe im Backen und Kochen anlernte. Sorgfältig achtete sie darauf, dass Nelly diese Anordnung nicht sabotierte, indem sie Bongi zum Beispiel verschwieg, dass zum Brotbacken Hefe nötig war.
Thokos Platz im Haus wurde von Zanele, der
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