Ein Leben voller Liebe
näher. »Ich glaube nur nicht, dass Sie meine Methoden aufgreifen würden.«
»Welche?«
»Ein langes Duftschaumbad, zu dem ich nie komme«, meinte sie sehnsüchtig. »Oder Tyler eine Geschichte vorlesen.«
Es entspannte ihn nicht im Geringsten, sich vorzustellen, wie sie sich nackt in duftendes Wasser sinken ließ.
»Ich habe es mit Lesen versucht, aber es klappte nicht.«
Sie verzichtete darauf, ihm zu erklären, dass es hauptsächlich die zärtliche Nähe zu ihrem Kind war, die so entspannend wirkte. »Das ist nicht dasselbe.«
Chase betrachtete ihr sanftes Gesicht. Ob sie eigentlich merkte, wie oft sie ihren Jungen berührte, um ihm zu zeigen, wie viel er ihr bedeutete? Sie hörte ihm auch zu, anstatt ihn abzuwehren, und der Junge hing an ihr. Er selbst war als Kind nie berührt worden. Er hatte auch kein Haustier gehabt, geschweige denn gleich mehrere. Seine Adoptivmutter hatte sich auch nie umarmen lassen.
»Chase?« fragte Alex vorsichtig. »Alles in Ordnung?«
Nein, dachte er, nichts ist in Ordnung. So war das, seit er die Wahrheit über seine Herkunft erfahren hatte.
»Ja«, erwiderte er.
»Möchten Sie darüber sprechen?«
»Worüber?«
»Über den Obstkorb.«
Er zuckte die Schultern. »Was ist damit?«
So leicht konnte er sie nicht täuschen. »Sie haben sich nicht darüber gefreut, weil Ihre Mutter ihn schickte.«
»Ich war überrascht, von ihr zu hören. Ich wusste gar nicht, dass sie schon von der Kreuzfahrt zurück ist.«
»Hat sie erst jetzt von dem Unfall erfahren?«
»Vermutlich. Gwen sagte, sie hätte im Büro angerufen, nachdem eine Freundin sich bei ihr nach mir erkundigt hatte.«
Alex setzte sich auf eine zweite Liege. Zwischen ihnen stand ein niedriger schmiedeeiserner Tisch mit einer Azalee darauf.
»Bestimmt war sie erleichtert, dass es Ihnen so gut geht.«
Er warf ihr einen Blick zu. »Wissen Sie, Dr. Larson, für eine so kluge Frau sind Sie überraschend naiv.«
»Wollen Sie mir das nicht genauer erklären?«
»Vermuten Sie nie Hintergedanken?«
»Nicht bei einem Obstkorb.«
»Nicht alle sind wie Sie, Alex«, sagte er leise. »Menschen tun Dinge, weil sie etwas haben wollen oder sich verpflichtet fühlen. Falls meine Adoptivmutter erleichtert war, dann nur, weil ich nichts von ihr verlangte.«
»Das glaube ich nicht«, wehrte Alex ab. »Das mit den Menschen, meine ich. Auch nicht das von Ihrer Mutter.
Viele Leute denken an andere, weil ihnen etwas an diesen Menschen liegt.
Immerhin hat diese Frau Sie adoptiert. Sie hat Sie von klein auf großgezogen und…«
»Sie wollte mich haben wie ein neues Kleid oder ein neues Auto«, erwiderte er scharf. »Aber der Reiz des Neuen lässt stets bald nach. Meine Mutter… Elena ist eine Sammlerin. Sie ist nur glücklich, wenn sie wieder etwas erworben hat, das sie vorzeigen kann. Kunstwerke, Schmuckstücke, Menschen. Vermutlich misst sie sich selbst keinen Wert zu und umgibt sich deshalb mit Dingen, die ihr Wert verleihen. Ich wurde von Angestellten großgezogen. Kam ich in den Ferien aus dem Internat heim, waren meine Adoptiveltern verreist. Doch das war gut so.
Schlecht war, dass ich nichts von meinen Brüdern wusste.«
Alex seufzte. »Allmählich verstehe ich, wieso Sie jegliche Hilfe ablehnen.«
Er strich sich durch das Haar. »Sie hätten sich nicht zu mir setzen sollen. Ich begreife nicht, wie ich Sie mit alldem belasten kann!«
»Vielleicht mussten Sie sich einfach bei jemandem aussprechen.«
»Sie sind meine Ärztin, nicht mein Psychiater.«
Alex zuckte leicht zusammen und betrachtete die Blüte, die sie unbewusst zerrissen hatte.
Sie hatte ihm als Freundin zugehört.
Chase schwieg. Er fühlte, dass er sie verletzt hatte.
Doch er hatte sich noch nie so offen gegeben, nur bei ihr.
Dabei hatte er ihr nicht weh tun wollen. Um es wieder gutzumachen und da er sich nicht entschuldigen konnte, wechselte er das Thema.
»Was halten Sie davon, wenn ich Brent zur Therapie mitnehme?« fragte er, als sie aufstand. »Er hat erzählt, dass es bei ihm erst um zehn losgeht. Wenn er mit mir fährt, braucht er nicht so lange zu warten.«
Wieder trat angespannte Stille ein. Es duftete nach Flieder.
Blätter raschelten. Grillen zirpten. In der Ferne bellte ein Hund.
Alex fühlte, wie verkrampft Chase war. »Das freut ihn bestimmt.«
»Ich verlasse das Therapiezentrum zwar schon vor Brent, aber der Fahrer soll ihn abholen, wenn er fertig ist. Dann braucht er auch nicht auf Sie zu warten und kann sich hier Videofilme ansehen
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