Ein Leben voller Liebe
oder sonst etwas machen.«
Alex wusste, was Chase versuchte, und war ihm dafür sogar dankbar.
Chase war noch immer verkrampft, und als er nach den Krücken griff, stieß er eine zu Boden.
»Lassen Sie mich…«
»Ich kann das«, wehrte er ab.
»Sie können sich nirgendwo festhalten«, erklärte sie. »Es gibt keine Armstützen.«
»Ich sagte, ich kann das.«
»Möglich«, räumte sie ein. »Aber es wird Ihnen nicht gefallen, wenn Sie sich wieder aufrichten und merken, dass Sie das Gleichgewicht nicht halten können. Und wenn Sie mit dem Fixateur auf dem Steinboden aufprallen, haben Sie vermutlich einige zusätzliche Brüche. Ihr Oberschenkel ist eine meiner besten Arbeiten. Ich möchte nicht, dass Sie das verderben.«
Sie ging vor ihm in die Hocke und ärgerte sich über seine Sturheit. Außerdem fühlte sie sich verletzt. Eine Krücke schob sie unter sein angewinkeltes Bein, die andere unter das ausgestreckte.
»So«, sagte sie und versuchte zu ignorieren, dass sie sich genau zwischen seinen kräftigen Schenkeln befand.
»Nehmen Sie die Krücken, und ich helfe Ihnen auf. Stemmen Sie sich mit dem gesunden Bein hoch und stützen Sie sich auf die Griffe. Ich lege Ihnen die Arme um die Taille und ziehe Sie hoch.«
»Sie können mich nicht hochziehen. Ich wiege doppelt so viel wie Sie.«
»Sie wiegen nur fünfundsiebzig Pfund mehr«, erklärte sie.
»Ich komme damit klar.«
»Ach ja?«
»Ja«, erwiderte sie und beging den Fehler hochzublicken.
Seine Augen wirkten hart, doch seine Stimme klang trügerisch sanft. »Beweisen Sie es.«
Er hatte ihr den Fehdehandschuh hingeworfen und sie gleichzeitig gewarnt, und es hatte absolut nichts damit zu tun, dass sie ihm beim Aufstehen helfen wollte. Ohne den Blick von Alex abzuwenden, griff er nach den Krücken und ließ sie fallen.
Das Klappern hätte Tote wecken können.
Alex hörte es kaum.
Seine Hände glitten bereits über ihre Schultern. Sie fühlte die Wärme seiner Hand im Nacken, als er durch ihr Haar strich.
»Deshalb wollte ich keine Hilfe.« Er ließ den Blick über ihr Gesicht wandern. »Sagen Sie mir, dass Sie noch nie daran gedacht haben, Alex, und ich lasse Sie sofort los.«
Sie versuchte vernünftig zu bleiben. Vernunft war immer gut.
Gut und verantwortungsvoll. Und sie selbst war verantwortungsvoll. Im Moment erinnerte sie sich jedoch nicht, wieso das überhaupt nötig war.
Er zog sie näher zu sich.
»Das dachte ich mir«, sagte er leise und küsste sie.
Hinter dem Kuss lag keine Forderung, nur ein sanfter Druck, bei dem sich ihr Atem beschleunigte. Alex fühlte, wie er sie noch näher zog und den Druck verstärkte, bevor er mit der Zunge zwischen ihre Lippen vordrang.
Wärme breitete sich in ihr aus, und seine Stärke lockte sie unwiderstehlich. Sie ermutigte ihn nicht, sondern ließ bloß zu, dass er sie berührte. Das reichte schon aus.
Bis zu diesem Moment hatte sie nicht einmal geahnt, wie kalt es in ihrem Herzen war. Es war leichter gewesen, nicht daran zu denken. Chase vertrieb diesen Gedanken jedoch wieder, indem er sie behutsam und hingebungsvoll küsste.
Gefühle, an die sie sich kaum noch erinnerte, berauschten sie.
Alex sehnte sich nach mehr, beugte sich zu ihm, legte die Hände an seine harte Brust und fühlte, wie er den Arm um sie schlang. Mit der freien Hand strich er über ihre Brust.
Sie hielt den Atem an und verkrampfte sich einen Moment, entspannte sich jedoch gleich wieder und stöhnte leise.
Er wollte sie fühlen, ganz und ohne alle Einschränkung.
Er wollte sich zurücklehnen und sie auf sich ziehen, die Hände unter ihr Shirt schieben und die glatte Haut streicheln. Er wollte ihre Brüste berühren und verwöhnen.
Doch er konnte sich nicht zurücklehnen, weil er das verletzte Bein nicht auf die Liege zu heben vermochte. Und darüber hinaus spürte er, wie Alex sich zu wehren begann.
Er durfte sie nicht drängen. Wenn sie nicht freiwillig zu ihm kam, dann eben gar nicht.
Er streichelte ihre Wangen und zog sich zurück, bevor sie es tat. Verwirrung und Verlangen zeichneten sich in ihrem zarten Gesicht ab.
»Du wolltest mir aufhelfen.« Er strich über ihre Unterlippe.
»Das wäre jetzt nicht schlecht.«
Sie nickte. Als Chase aufrecht stand, wollte sie ihm eine gute Nacht wünschen. Doch er küsste sie noch einmal.
Erst nachdem er ins Haus gegangen war und sie ihm langsam folgte, wurde ihr bewusst, um wie viel einfacher es für sie gewesen war, als sie noch nicht wusste, wie er küsste.
9.
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