Ein Liebhaber wie Tony
die Hand auf die Schulter. »Was ist passiert?«
Sharon überlegte kurz. »Nichts Dramatisches.«
Die Uhr des Mikrowellenherdes klingelte, und Sharon war über diese Unterbrechung sehr dankbar. Sie nahm die Becher mit dem kochend heiÃen Wasser heraus und schüttete Pulverkaffee hinein.
Helen folgte Sharon ins Wohnzimmer. »Ich bin vorbeigekommen, um mir deine burgunderfarbenen Schuhe auszuleihen, die mit dem Schlangenleder auf der Spitze.«
Sharon blickte zum Fernseher. Der Ton war immer noch ausgeschaltet, und es sah so aus, als verkaufe man pantomimisch Küchenplatten aus Kristall. »Bedien dich.«
Helen ging in das winzige Schlafzimmer und kam wenig später mit den Schuhen zurück. Sie blickte Sharon entschlossen an. »Warum gibst du nicht alles auf und kehrst nach Hause zurück? Du bist ohne Tony nicht glücklich.«
»So einfach ist das nicht«, gab Sharon zurück.
»Hat er eine andere?«
Sharon schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Die Kinder hätten sonst etwas erwähnt.«
»Warum dann also �«
»Es ist zu spät, Helen. Zu viel ist passiert.«
Helen setzte sich wieder auf die Armlehne, nahm die Kaffeetasse und trank nachdenklich. »Ich verstehe.« Ihr Gesichtsausdruck war unergründlich.
Sharon betrachtete die schmuddelige Tapete und sagte mit gespielter guter Laune: »Es wird Zeit, dass ich ein neues Leben anfange. Und zuerst werde ich diesen Ort hier in ein Heim verwandeln.«
»GroÃartig«, stimmte Helen zu, blickte aber noch undurchdringlich. »Wenn du aber anfängst, Bilder zu sticken, siehst du mich hier nicht mehr.«
Sharon lachte. »Keine schlechte Idee. Ich könnte mir einen tiefsinnigen Wahlspruch in Kreuzstich anfertigen: Jeder, der da behauptet, mit Geld könne man kein Glück kaufen, war noch nie im Neiman-Marcus-Einkaufsparadies.«
Nun lächelte Helen. »Ein gutes Lebensmotto.« Sie stellte den Becher zur Seite und stand auf. »Tja, ich habe eine aufregende Verabredung mit meinem Ehemann und muss mich beeilen. Wir sehen uns morgen im Laden.« An der Tür drehte sie sich um und hielt die Pumps hoch. »Vielen Dank fürs Ausleihen.« Dann war sie weg.
Sharon fühlte sich noch einsamer als vorher. Also musste sie unbedingt etwas unternehmen. Sie zog eine Jacke an, fuhr sich mit der Bürste kurz durchs Haar und flüchtete aus der Wohnung, um in ein naheliegendes Malergeschäft zu gehen.
Mit diversen Farbeimern und dem dazugehörigen Werkzeug kehrte Sharon zurück. Nur eine Leiter hatte sie nicht. Es wäre Unsinn gewesen, eine zu kaufen, da in der Garage des Hauses mehrere davon herumstanden.
Morgen nach Geschäftsschluss werde ich kurz vorbeifahren und mir eine holen, beschloss Sharon.
Sie hatte noch nie in ihrem Leben etwas gestrichen, und am liebsten hätte sie sich sofort auf diese neue Aufgabe gestürzt, aber zuerst mussten die Vorbereitungen getroffen werden.
Sie stemmte die Hände in die Hüfte, während sie sich vorzustellen versuchte, wie die Wohnung nach dem Streichen aussehen würde. Das Wohnzimmer sollte in Beige gehalten werden, die Kochnische in Hellblau, und Schlaf- und Badezimmer in einem zarten Rosa. Koste es, was es wolle, sie würde diese Wohnung schon auf Schwung bringen und ihr eine persönliche Note verleihen.
Und wenn sie schon dabei war, konnte sie das auch gleich auf ihr ganzes weiteres Leben übertragen. Es war an der Zeit, neue Männer kennenzulernen.
Sharon kaute auf einem Fingernagel und überlegte.
»Wie stellt man so etwas eigentlich an?«, fragte sie sich laut und starrte auf die leeren Wände.
Sharon duschte, föhnte sich die Haare und schlüpfte in einen Pyjama. Sie hatte sich gerade ins Bett gelegt, als es klingelte. Sie stand auf und tapste zur Tür. »Ja?«
»Mom«, jammerte Brian drauÃen. »Ich bin ein ungewolltes Kind.«
Sharon öffnete hastig die Tür und sah mit Entsetzen, dass das Kind zu dieser späten Stunde allein unterwegs war.
»Das bist du nicht«, sagte sie sachlich und zog Brian in die Wohnung.
»Doch«, erwiderte das Mädchen bekümmert. Alle Leidenschaft, die eine Zwölfjährige zu fühlen vermag, lag dabei in ihrer Stimme. Mit offener Jacke und tränenverschmiertem Gesicht stand Brian vor Sharon. »Mein ganzes Leben ist ruiniert. Ich werde zur Fremdenregion gehen.«
»Es heiÃt â-legionâ,
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