Ein Lord mit besten Absichten
unkonventionellen Aufzugs bekamen.«
Nobles bewunderungswürdiger Körper erstarrte. Das heftige Schlagen des Pulses an seinem Hals war sogar von der anderen Seite des Schlafzimmers aus zu sehen. Sie sollte sich schämen, tadelte Gillian sich selbst. Der Arme hatte eine fürchterliche Nacht hinter sich, und sie vernachlässigte ihre Pflicht, ihm Trost zu spenden. Schließlich war es ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass er zur Ruhe kam, all seine Sorgen vergaß und die Geborgenheit seines friedlichen Zuhauses genießen konnte. Gillian blinzelte eine Träne des Mitgefühls bei dem Gedanken an seine Qualen weg und machte sich wieder daran, seine schlechte Laune aufrechtzuerhalten.
»Und wenn ich von guter Laune rede, Liebster, dann meine ich nicht, dass sie dich ausgelacht haben«, versicherte sie ihm. Falls es überhaupt möglich war, wurden sein Schweigen und seine Miene noch eisiger. »Obwohl sich nicht bestreiten lässt, dass sie gelacht haben, wobei ich sicher bin, dass sie nicht über dich, sondern
mit
dir gelacht haben, wenn du weißt, was ich meine.«
Dass er diese Wahrnehmung nicht teilte, war nicht zu übersehen. Ebenso, dass er kurz davorstand, sie zu erwürgen. Da sie sich jedoch mehr als nur eine Nacht ehelicher Freuden wünschte, hielt Gillian es für angebracht, das Thema jetzt ruhen zu lassen. Besser, sie fragte ihn erst am Morgen, wenn seine Streitlust abgeflaut war, wer ihm Böses wünschte. Dann würde er sich ganz gewiss über ihr Interesse an seinem Wohlergehen freuen und – seiner früheren Aussage zum Trotz – damit herausrücken, wem er das zu verdanken hatte und warum. Zwei Fragen, die sie vor Neugier fast platzen ließen. Sie reagierte auf die erstickten Laute, mit denen Noble ihre fortwährenden Tröstungsversuche bedachte, mit einem süßen Lächeln. Offenbar überwältigte ihn Dankbarkeit für ihr zartfühlendes Verhalten.
»Madam.« Noble schaffte es schließlich, seine verkrampften Kiefer zu öffnen und zu sprechen. »Sie werden den Anstand besitzen und in meinem Beisein nie wieder dieses verfluchte Betttuch erwähnen! Ebenso wenig wie diesen Abend. Unter keinen Umständen. Vergessen Sie den ganzen Tag einfach. Streichen Sie ihn aus Ihrem Gedächtnis. Ich will
nie wieder
an die demütigenden Ereignisse erinnert werden, die den schlimmsten Tag meiner in Trümmern liegenden Existenz ausmachen.«
Vor Gillians Augen tanzten die Bilder vom muskulösen, wohlproportionierten Körper ihres splitterfasernackten und gefesselten Ehemannes. Sie hatte große Zweifel, diese faszinierenden Ansichten mir nichts, dir nichts ausblenden zu können – wobei sie nicht einmal sicher war, ob sie das überhaupt wollte. Die Wahl zwischen seinem Befehl, ihre Beobachtungen zu vergessen, und einer lebenslangen Speicherung dieses besonderen Anblicks in ihrem Bewusstsein fiel ihr nicht schwer. Der breitbeinig und mit geballten Fäusten in Kampfhaltung vor ihr stehende Mann gab jedoch klar zu verstehen, dass eine Gehorsamsverweigerung nicht zur Debatte stand.
»Also, Madam? Ich warte auf Ihre Zustimmung.« Er machte den Eindruck, zu allem fähig zu sein, aber Gillian hatte nicht vor, schon am Anfang ihrer Ehe Misstrauen zu wecken, indem sie die Unwahrheit sagte.
Da sie sich außerstande sah, seiner Forderung nachzukommen, zuckte sie nur mit den Achseln. Als ihr dabei der ausgeblichene blaue Morgenmantel von der Schulter rutschte, hatte Noble nur noch Augen für das nackte Fleisch. Sein Puls begann zu hämmern, als sein Blick ihre Haut auf eine Weise liebkoste, die Gillian vor Wonne erschaudern ließ.
In ihr erwachte ein urweiblicher Instinkt und erfüllte sie mit warmer Zufriedenheit. Konnte es tatsächlich so leicht sein? Noble war ein intelligenter Mann; er ließ sich doch bestimmt nicht von etwas so Profanem wie dem Blick auf ein Stück nackter Haut beeinflussen. Bewusst langsam zuckte Gillian auch die andere Schulter und ließ dabei den Morgenmantel ihre Arme hinunterrutschen. Unter dem Morgenrock war sie nackt.
Noble stockte der Atem.
Ihre Haut fing an zu prickeln, obwohl er sie noch gar nicht berührt hatte. Gillian kniete sich lasziv nieder und ließ den Mantel über die Hüften fallen.
Noble gab einen unverständlichen, erstickten Laut von sich.
Es konnte doch nicht so einfach sein, aber offensichtlich war es das. Ihrem Lord der Blicke, der noch vor wenigen Sekunden so ausgesehen hatte, als würde er am liebsten jemanden erdrosseln, hatte es die Sprache verschlagen. Er starrte nur noch auf ihren
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