Ein Magier im Monsterland
erschreckt hatte. »Wenn wir in einer vollkommenen Welt leben würden, würde ich mir Zeit nehmen, um der Sache auf den Grund zu gehen, würde den vollen Umfang meines Wissens und meiner Erfahrung einsetzen, um schließlich zu einer gelehrten, wahrhaft einem Magier würdigen Problemlösung zu gelangen. Unglücklicherweise scheint diese Welt jedoch mit jedem Tag ein bißchen weniger vollkommen zu werden. Die Dinge entwickeln sich einfach zu überstürzt, um sich noch auf zauberisches Urteilsvermögen verlassen zu können.«
Mein Meister zupfte seine Gewänder in ästhetisch anspruchsvollere Faltenkombinationen. »Aus diesem Grunde müssen wir uns voll und ganz auf die zauberische Institution verlassen! Wuntvor, schultere deinen Reisesack! Auf nach Vushta!«
Und indem er uns diese seine Entscheidung mitteilte, führte uns Ebenezum auch schon über die Lichtung in einen weiteren, jedoch ebenso undurchdringlichen Teil des Forstes. Ich verweilte noch einen Augenblick, um den letzten Sonnenstrahl in meine Seele zu trinken, bevor uns die gigantischen, düsteren Bäume wieder verschlungen hatten.
Weit hinter uns hörte ich das Einhorn aufkreischen.
»Ich habe da so eine Idee, was du dir wünschen könntest.«
Die Stimme des Schuhberts an meinem Ohr ließ mich vor Schreck vorwärtsspringen.
»Entschuldigung!« piepste sein Stimmchen. »Ich neige dazu, etwas zu enthusiastisch zu sein. Das gehört zu meinem positiven Schuhbert-Image, du verstehst schon.«
Ich versuchte, zurück in die Richtung zu blicken, aus der die Schreie des Einhorns kamen, doch man sah im Wald vor lauter Bäumen nichts mehr.
»Könnt Ihr uns hier herauswünschen?« fragte ich.
»Tut mir leid. Das haben wir gerade versucht, als ich deine Freunde hierher transportiert habe.« Der Schuhbert runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Das beansprucht meine magischen Muskeln zu stark.«
Der Schuhbert hielt inne. Zu spät erkannte ich, daß er erwartete, ich würde die Unterhaltung in Gang halten. Ich lauschte jedoch zu angestrengt auf die Schreie des Einhorns beziehungsweise auf das, was diese Schreie provozierte.
»An welchen Wunsch dachtet Ihr denn so?« fragte ich schließlich.
»Das ist schon besser!« antwortete der Kleine erfreut. »Du mußt dich einfach in den Erzähltenor dieser ›Drei-Wünsche-Geschichte‹ versetzen. Meine Aufgabe ist lediglich, die Wünsche zu erfüllen, nicht auch noch, sie auszudenken!«
Ich nickte zustimmend. Da hatte er sicherlich in gewisser Weise recht. Aber irgendwie waren die letzten Tage einfach zu aufregend gewesen, als daß ich mir große Gedanken über das richtige Wünschen hätte machen können.
»Ich weiß, ich weiß«, fuhr der Schuhbert fort. »Meine Demoristrationen sind bis jetzt nicht unbedingt beispielhaft verlaufen. Deshalb habe ich auch das Gefühl, daß ich euer Wünschen ein wenig in die richtige Richtung leiten sollte. Denk an das Schuhbert-Credo: Das ist keine Magie – das ist die große Schuhbert-Show!«
Er setzte flüsternd hinzu: »Ich habe deinen Meister beobachtet. Ein trauriger Fall, wenn ein solch großer Magier nicht mehr praktizieren kann, und das alles wegen einer Naseninfektion! Siehst du? Wir Schuhberts sind überaus feinfühlig! Und meine Schuhbert-Wenigkeit kennt den Genesungs-Spruch!«
Ich blickte den kleinen Kerl an. Den Genesungs-Spruch? Hoffnung stieg in meiner Brust empor wie die Sonne an einem Sommermorgen. Sollte Ebenezum seine magische Macht zurückerlangen, wären wir im Handumdrehen in Vushta!
»Ich weiß, daß es funktionieren wird.« Das zarte Stimmchen wurde noch sanfter. »Es hat mit Schuhen zu tun.«
Meine Hoffnung sank zu Boden wie winterliches Schneegestöber. Das war wieder der Schuhbert, der sich keinen Namen merken konnte, ganz zu schweigen von den dazugehörigen Botschaften. Vielleicht hatte Snarks ihn richtig eingeschätzt.
Mit einer gewissen Unruhe im Blick betrachtete der Winzling den Dämonen, der nun an Hendreks Seite daherschritt. Es war beinahe, als könne der Schuhbert meine Gedanken lesen.
»Manch einer würde mich womöglich verlachen«, fuhr er flüsternd fort, »aber man soll immer damit beginnen, was man am besten kann. Das sagt auch der Hohe Schuhbert immer.«
Der Hohe Schuhbert? Ich entschloß mich dazu, nicht nachzuhaken.
»Wie dem auch sei, ich bin in der Lage, einen so großen Schuh herzustellen, daß dein Meister vor magischen Einflüssen geschützt bleibt.« Der Schuhbert machte eine Pause und klopfte mit dem Fuß auf den
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