Ein magischer Walzer
dafür, dass er sich wie ein dummer Junge anhörte - und auch so fühlte.
3. KAPITEL
Hope lächelte. Ihr gefiel seine Ehrlichkeit. Leute taten oft so, als könnten sie die Zwillinge auseinanderhalten, aber es gelang nur wenigen. „Ich bin Hope. Meine Schwester Faith trägt heute Abend Himmelblau.“
Er nickte. „Hope“, sagte er, und von seinen Lippen klang der Name ungewohnt.
Sein Akzent war kaum zu hören: Er sprach kultiviert, aber mit einem Hauch von rauem Nordenglisch darin. Irgendwie anders, doch ihr gefiel es. Nach ihrer begrenzten Erfahrung hatten die Menschen, die keine vornehme Abstammung aufzuweisen hatten, entweder einen fast trotzigen Dialekt oder eine bemüht reine Aussprache.
Er erwies sich als völlig anders, als sie ihn sich erst vorgestellt hatte. Sie war nicht länger von seinem hart aussehenden Äußeren oder seiner mühsam gezügelten Kraft eingeschüchtert. Wie konnte sie das, wenn er eben beides dazu benutzt hatte, sie so wirkungsvoll zu schützen? Aber obwohl es noch zu früh war, zu sagen, was für ein Mann er war, verriet der Tanz ihr viel, auch wenn seine Unterhaltung wenig ergiebig war.
„Sie haben gar nicht gesagt, was Sie nach London bringt, Mr. Reyne.“
Er beschrieb mit ihr einen exakt bemessenen Kreis. „Verschiedenes.“
„Verschiedenheit ist gut. Wo sind Sie zu Hause?“
„Ich lebe im Norden.“
Schwatzhaftigkeit kann man ihm nicht zum Vorwurf machen, dachte Hope. „Also nur ein kurzer Aufenthalt in London?“
„Ja, ein paar Wochen. Vielleicht auch länger. Das hängt davon ab.“
Hope schaute ihn fragend an. „Wovon?“
Er antwortete nicht. Damit hatte sie auch gar nicht gerechnet. Mrs. Jenner hatte gesagt, er sei auf der Suche nach einer Frau. Das würde er kaum seiner Tanzpartnerin erzählen. Aber er war dabei, sich wieder hinter Formalität zu verschanzen, und das wollte Hope nicht. Ihr kam der Verdacht, dass er aus purer Sturheit so wortkarg war.
Sie selbst konnte auch stur sein. „Und welchen Eindruck haben Sie von der Stadt?“, fragte sie.
Er zuckte die Achseln. „Ich war zu beschäftigt, um Besichtigungen zu machen.“
„Oh, wie schade!rief sie. „Sie können doch unmöglich nach London kommen und sich nicht all die Sehenswürdigkeiten anschauen.“
Er machte einen unverbindlichen Laut. Hope lächelte insgeheim. Sie wusste, sie plapperte, aber sie war entschlossen, ihm eine Antwort zu entlocken.
Also fuhr sie im Plauderton fort: „Wie sind die Leute bei Ihnen zu Hause? Würde ich sie mögen?“
Er warf ihr einen finsteren Blick zu. Hope lächelte ihn arglos an. Sie mochte es, wenn er dieses ernste Gesicht aufsetzte.
„Es wäre doch jammerschade, wenn Sie nach Hause zurückkehren - wo auch immer das liegt - ohne eine einzige Geschichte“, stellte sie fest. „Haben Sie Lord Eigins Marmorstandbilder gesehen? Er hat sie aus Griechenland mitgebracht, wissen Sie, und sie sind Tausende von Jahren alt.“
„Ich habe keinerlei Interesse an Antiquitäten, ob nun aus Griechenland oder von sonst wo.“
„Nun, natürlich nicht! “, rief sie und tat schockiert. „Niemand interessiert sich für Antiquitäten. Aber diese Marmorstatuen sind der letzte Schrei, daher muss man sie gesehen haben. Man muss immer mit der Mode gehen, wissen Sie? Meine jüngere Schwester ist von alten Sachen fasziniert, daher kenne ich mich mittlerweile aus. Wenn Sie einen Führer brauchen, dann könnte ich ...“ Sie sprach absichtlich nicht weiter, sodass eine bedeutungsvolle Pause entstand. Kein Gentleman ihrer Bekanntschaft wäre in der Lage, das auszuschlagen.
Er schaute sie kurz an, und sie spürte, wie sich seine Hand fester um ihre Mitte schloss, aber sie merkte rasch, dass er sie damit nur entschiedener auf Abstand halten wollte. Alles, was er sagte, war: „Ich interessiere mich nicht für Lord Elgins Marmorstatuen. Oder die von jemand anderem.“
Verflixt. Er war kein Gentleman, das hatte sie vergessen.
Der Walzer ging zu Ende. Mr. Reyne verneigte sich, dankte ihr und geleitete sie von der Tanzfläche. Mrs. Jenner kam herbeigeeilt, Mr. Bemerton im Gefolge. Sie nickte Mr. Reyne kühl zu und nahm Hopes Arm. „Wir wollen uns einen Augenblick zurückziehen, meine Liebe. Auf Wiedersehen Mr. Reyne, Giles“, sagte sie knapp.
Mr. Reyne verneigte sich erneut, bedachte Hope mit einem langen, eindringlichen Blick, und wandte sich entschlossen ab, wobei er seinen Freund Giles Bemerton mit sich zog.
Hope schaute ihm nach. Sie erschauerte, fühlte wieder die Kälte,
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