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Ein magischer Walzer

Titel: Ein magischer Walzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gracie
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Komplimente waren ihm nicht über die Lippen gekommen. Und er hatte sie ganz finster angesehen, als er sie fragte, welcher Zwilling sie sei. Fast hatte er abgelenkt gewirkt, als gälte seine volle Aufmerksamkeit in Wahrheit gar nicht ihr.
    Und doch hatte sie sich nicht ignoriert oder gekränkt gefühlt, sondern beinah irgendwie ... verehrt. Was albern war, wirklich -es war ja nur ein Tanz. Und noch dazu kein guter.
    Es war eine Schande, dass er nicht ihr Traummann war. Weil er sie interessierte. Aber der Walzer war so weit von vollkommen entfernt wie nur möglich.
    Wieder seufzte sie und kuschelte sich unter die Bettdecke. Sie sollte endlich einschlafen.
    Ein leises Lachen entschlüpfte ihr, als ihr Mrs. Jenners Bemerkung wieder einfiel. Süßholzraspeln lag ihm nicht. Sebastian Reyne war so stachelig und abweisend, dass er einer Distel noch etwas beibringen konnte. Und sie hatte ihm jedes Wort mühsam abringen müssen.
    In der Eingangshalle unten schlug die Uhr drei.
    Er hatte nur an Hope und an Lady Elinore Interesse gezeigt. Es war ein Rätsel. Sie waren völlig verschieden. Warum Lady Elinore?
    Der unwillkommene Gedanke ließ sich nicht vertreiben. Lady Elinore war eine Art Außenseiterin, eine reiche, hausbackene alte Jungfer, die keine Familie hatte, um sie vor Mitgiftjägern zu beschützen.
    Sie drehte sich im Bett auf die andere Seite und zog die Decke fester um sich. Er war nicht, was Mrs. Jenner behauptete. Das war er nicht.
    Er begehrte Hope. Sie wusste das, konnte es spüren. In ihren beiden Saisons hatten die Zwillingsschwestern gelernt, zwischen der Vernarrtheit eines Jungen und der Leidenschaft eines Mannes zu unterscheiden. Sie und Faith wussten, wie man Männer entmutigte, ohne ihre Gefühle zu verletzen, ehe es ernst wurde. Aber dies hier lag außerhalb ihrer Erfahrung. Sein mühsam gezügeltes Verlangen war etwas völlig Neues für sie. Tief in ihr weckte es einen Widerhall.
    Bei dem Gedanken erschauerte sie unwillkürlich.
    Sie wünschte sich, er wäre nicht so groß und kräftig. Er war sogar noch größer und kräftiger als Großvater. Was bedeutete, dass er ihr schlimmer wehtun konnte ...
    Er verkörperte alles, von dem sie immer geglaubt hatte, sie würde es nicht mögen. Aber sie hatte noch nie so rasch, so heftig auf einen Mann reagiert.
    Würde Mr. Reyne ihr wehtun? Das war die Frage. Sie hatte die Kraft seiner Muskeln gespürt und war innerlich erbebt. Aber sie erinnerte sich auch an die Mühelosigkeit, mit der er sie vor Schaden durch den betrunkenen Lord Streatfield bewahrt hatte. Er hatte sie beschützt. Mit gezügelter Kraft.
    „Man muss ihn nur ansehen, um zu wissen, dass er eine brutale Vergangenheit hat“, hatte Mrs. Jenner gesagt.
    Hope hatte auch eine brutale Vergangenheit.
    Sie drehte sich wieder um und schob ihr Kissen in eine bequemere Position. Es war zu viel, worüber sie nachdenken musste. War er dies? War er das? Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. In der Nacht ergaben Dinge selten Sinn, sagte sie sich. Morgen war ein neuer Tag.

4. KAPITEL
    Es war einer dieser Morgen. Ein paar abgehärtete Londoner Vögel zwitscherten, obwohl es fast noch dunkel war. Hope war hellwach und hatte das Gefühl, jeden Moment aus der Haut zu fahren. Wie eine aufgezogene Feder.
    Sie blickte zu ihrer schlafenden Zwillingsschwester. Wenn sich Faith so fühlte, fand sie Entspannung in der Musik. Bei Hope klappte das nicht. Sie musste aktiver werden.
    Leise schlüpfte sie aus ihrem Bett und spähte aus dem Fenster. Kühl und trocken. Perfekt. Aus dem Schrank nahm sie sich ihr altes braunes Reitkostüm, Stiefel, Hut und Gerte und ging auf Zehenspitzen in das angrenzende Zimmer, um sich anzuziehen.
    Mit den Stiefeln in der Hand trat sie auf den Korridor hinaus und stieg die Stufen empor zu den Dienstbotenquartieren unterm Dach. Vorsichtig klopfte sie an eine der Türen. Beim zweiten Klopfen erklang ein gedämpftes Stöhnen von der anderen Seite. „In Ordnung, Miss Hope. Ich bin gleich unten.“
    Zufrieden lächelnd lief Hope die Treppe hinunter und setzte sich auf die unterste Stufe, um sich die Stiefel anzuziehen. James, der Lakai, würde zwar murren, aber insgeheim genoss er ihre unerlaubten Morgenausritte. Außerdem war die Guinea, die sie ihm dafür zusteckte, weil sie ihm seinen Schlaf raubte, eine willkommene Ergänzung seiner Ersparnisse: Es war kein Geheimnis im Merridew-Haushalt, dass James Geld sparte, um nach Amerika gehen zu können.
    In der Küche schnitt sie zwei Scheiben Brot ab

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