Ein Mann für eine Nacht (German Edition)
auf solche Komplimente gut verzichten konnte.
Aber es war gut, dass Jake es bemerkt hatte. Er hatte einen schicken BMW, der sich bei Victorias Party ganz gut machen würde. Oder in ihrer eigenen Einfahrt. Aber eigentlich hatte sie ja gar keine Einfahrt, und die Kreisverwaltung hatte gerade zwei dicke gelbe Linien vor ihrem Eingang auf die Straße pinseln lassen.
Anna versprach Claire, dass sie sich beeilen würde.
„Ich mache so schnell ich kann.“ Dann ging sie nach oben und zündete die erste Zigarette des Tages an. Es tat gut, vor dem Ausgehen noch eine zu rauchen. Es versetzte einen in die richtige Stimmung. Genauso wie etwas zu trinken. Gute Idee! Ein Bier wäre jetzt schön. Enttäuscht stellte sie fest, dass der Kühlschrank fast leer war. Zwei abgelaufene Joghurts, ein halbes Päckchen sehr, sehr gelbe Butter, ein Ei (Schwer zu sagen, wie lange es da schon lag!) und eine Dose Bier, die von ihrer letzten Party vor etlichen Monaten übrig geblieben war. Die musste fürs erste reichen. Sie riss die Dose auf und schnüffelte vorsichtig daran. Es roch verdorben. Aber bei Bier wusste man das nie so genau. Sie nippte daran. Es schmeckte nicht schlecht. Aber es war auch nicht wirklich lecker. Wenn man etwas wirklich Süffiges haben wollte, sollte man vielleicht besser Cola oder O-Saft trinken.
Anna zog sich zögernd aus. Es war kein Vergnügen, sich in einer schlecht geheizten Wohnung auszuziehen. Es herrschten zwar keine Minusgrade, aber es war nahe dran. Sie nahm das Bier mit in die Dusche und trank einen Schluck. Der schmeckte schon besser. Sie machte das Wasser an, es war eiskalt. Herrje, sie hatte vergessen, den Boiler anzustellen. Mit ungewaschenen Haaren konnte sie doch nicht ausgehen. Sie stank definitiv, nachdem sie stundenlang im Lager zwischen dreckigen Pappkartons herumgekrochen war. So was wirkte sich nicht gerade vorteilhaft auf das Erscheinungsbild aus. Und offensichtlich machten sich mindestens zehn Krabbeltierchen einen vergnügten Abend in ihrem derangierten Haarknoten.
In dem trüben Spiegel erhaschte sie einen Blick auf sich selbst. In ihrem eingefallenen Gesicht wirkten die Augen wie zwei Einschusslöcher, und ein entzündeter Pickel über ihrer rechten Augenbraue stellte den ganzen Abend in Frage. Am liebsten würde sie sich jetzt einfach aufs Bett sinken lassen, die Schachtel Zigaretten leer rauchen und sich ganz allein die Kante geben. Warum überhaupt ausgehen? Es war Samstag. Das bedeutete lauter Schlangen. Schlangen an der Bushaltestelle. Schlangen vor den Clubs. Schlangen vor den Kneipen. Schlangen vor der Toilette. Vor dem Waschbecken. Vor dem Heißlufttrockner. Vor dem Spiegel. Es bedeutete Gedrängel auf der Tanzfläche ... und sich auf dem Heimweg den Hintern abfrieren und schwören, erst im Sommer wieder auszugehen.
Es klingelte an der Tür. Verflixt, sie war immer noch nackt. Sie schlüpfte in eine Trainingshose und eine Pyjama Jacke und zog zwei ungleiche Socken an.
„Claire, du siehst großartig aus.“ Anna grinste.
„Anna, ich glaub es nicht! Du hast noch nicht einmal angefangen, dich zurechtzumachen.“ Claire war verärgert. Sie hatte sich richtig aufgebrezelt. Stiefel, Lederminirock (bis zum Knie, aber gar nicht so nuttig, wie man denken könnte) und eine schwarze Kaschmirjacke. Eine Spur von Make-up (Anna beneidete Frauen, die nur andeuteten) und eine dezenter Hauch von Miracle. Perfekt.
„Tut mir leid. Ich bin aufgehalten worden.“ Anna führte sie in die Wohnung. „Jetzt sag mal im Ernst. Muss ich mir die Haare waschen, oder kann ich auch so gehen?“
„Ehrlich? Na ja ... du kannst schon so gehen, aber es zeigt dich nicht von deiner allerbesten Seite.“
„Mit anderen Worten: Ich würde schrecklich aussehen!“
Claire antwortete nicht. Es war jeden Samstag dasselbe mit Anna. Das kannte sie schon. Und schließlich würde sie schnell die Haare ein bisschen feucht machen, ihr Make-up ein wenig auffrischen und sich den ganzen Abend darüber ärgern, dass sie sich nicht mehr Mühe gegeben hatte.
Um 22.10 Uhr gingen sie los. Aus der Erdgeschosswohnung war kein Ton zu hören. Draußen war es feuchtkalt, und der Weg zum Haus war übersät mit matschigen Blättern und verblichenen Chipstüten. Anna stakste vorsichtig mit ihren irrsinnig hohen Absätzen vorwärts. Ihr kurzer Rock erregte offensichtlich Aufmerksamkeit. Ein vorbeifahrendes Taxi hielt mit quietschenden Bremsen an. Perfekt. Sie stiegen ein.
Sie hatten sich einen super-trendigen Club am Flussufer
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