Ein Mann für eine Nacht (German Edition)
das unsägliche Paar seit Freitag nicht mehr gesehen. Gott sei Dank! Steve saß jetzt bestimmt alleine in seiner Wohnung und hörte seine alternative Musik. Er wird einsam sein. Soll er doch. Sie konnte jetzt nichts für ihn tun.
Im ganzen Haus war es dunkel. Sie stieß die Haustür auf und suchte den Lichtschalter. Als das Flurlicht anging, klingelte das Telefon.
Das war bestimmt für einen von den anderen. „Hallo?“, sagte Anna.
„Ann?“
„Meinen Sie Anna?“
„Ach so. Es war etwas verwischt auf meiner Hand. Ich konnte es nicht richtig entziffern.“
Anna war verwirrt. „Wer spricht denn da?“
„Rich.“
„Wer?“
„Neulich nachts. Erinnerst du dich nicht?“
„Also Rick?“
„Nein Rich! Die Kurzform von Richard.“
„Ach so. Hi!“ Mit ihm hatte sie überhaupt nicht mehr gerechnet. Das war ... ja, das war eine echte Überraschung. Wenn man jemanden in einem Club kennen lernte, konnte man nicht davon ausgehen, dass der Kerl auch tatsächlich anrief. Was hielt er wohl von ihr? Als sie zusammenstießen, war sie ziemlich angeschickert gewesen. Nicht gerade ein toller Anfang. Wahrscheinlich hatte sie wie eine Nutte auf Abwegen ausgesehen. Und, oh Schreck, ... jetzt vervollständigte sich das Bild ... sie war mit ungewaschenen Haaren unterwegs gewesen!
„Wie geht‘s dir?“ Er hatte eine kehlige Stimme und sprach relativ akzentfrei. Er war eindeutig Ire, aber sie konnte nicht heraushören, aus welcher Gegend er kam.
„Prima.“ Anna versuchte ruhig zu sprechen. Er sollte nicht denken, dass sie seinetwegen aufgeregt war. Er war doch nicht der einzige Kerl, der sie anrief .
„Was treibst du so?“
„Nichts“, antwortete sie spontan, bereute es aber sofort. Wie konnte sie sich eine solche Blöße geben? Sie sollte doch eine Frau mit einem prallen Terminkalender sein.
„Darf ich vorbeikommen?“
Zurückhaltend war der nun nicht gerade. Er kam gleich zur Sache. Was sollte sie sagen? Sie hatte gerade zugegeben, dass sie nichts vorhatte. „Wo wohnst du denn?“, bohrte er nach.
Sie fühlte sich in die Enge getrieben und gab ihm ihre Adresse.
Fünfzehn Minuten lang tobte Anna wie ein Derwisch durch die Wohnung. Sie stopfte einzelne Schuhe und Socken unter das Bett, leerte die überquellenden Aschenbecher, spülte zwei Kaffeetassen ab und schnappte sich das Raumspray aus dem Bad. Sie versprühte es großzügig. Dann vergewisserte sie sich, ob die Packung Jaffa Kekse im Schrank noch unangetastet war.
Was noch? Ach ja die Bücher! Sie schnappte sich die drei, die herumlagen: Mars sucht Venus . Venus sucht Mars , Frösche küssen besser und Amandas Hochzeit . In den Schrank damit. Er sollte nicht auf dumme Gedanken kommen. Jetzt war sie fertig. Sie warf einen Blick in den Spiegel. Herrje! Das ging überhaupt nicht. Sie klatschte sich eine gehörige Portion Flawless Finish ins Gesicht, malte sich einen rosa Mund irgendwo in Nähe der Lippen und besprühte sich großzügig mit Miracle. Es klingelte.
Plötzlich durchzuckte sie ein erschreckender Gedanke. Das war ein Fremder. Wenn er nun ein Mörder oder ein rabiater Irrer war? Oder ein Süchtiger? Ein Sexsüchtiger vielleicht. Oh Gott. Es klingelte wieder. Sie konnte ihn doch nicht hereinlassen. Sie durfte das einfach nicht. Wie sollte sie denn das später der Polizei erklären, wenn die Fingerabdrücke von ihrem misshandelten Körper nahmen oder unter ihren Fingernägeln nach Hautfetzen suchten. Die Tür der oberen Wohnung ging auf, und jemand rannte die Treppe herunter. Es war Grainne. Jedenfalls konnte man sie unter der Gesichtsmaske vermuten.
„Machst du die Tür nicht auf?“, fragte Grainne gereizt.
„Ja ... also ... Kannst du mir einen großen Gefallen tun?“
Anna erklärte ihr das Dilemma. Grainne war vollkommen baff.
„Verstehst du? Wenn du also in, sagen wir mal, fünfzehn Minuten runter kommen könntest und schauen, ob alles in Ordnung ist“, flüsterte Anna aufgeregt.
Mit schreckgeweiteten Augen sagte Grainne: „Fünfzehn Minuten, das kann schon zu spät sein.“
„Richtig. Also zehn. Danke, Grainne.“
Anna sauste die Treppe hinunter und riss die Haustür auf. „Entschuldige, ich habe die Klingel nicht gehört. Ich hatte den Fernseher an“, sagte sie atemlos.
Breitbeinig stand er mitten unter dem Vordach, die Hände tief in den Taschen seiner Cargo-Hosen. Er trug eine marineblaue Fleecejacke und eine schwarze Mütze. Sein Gesicht war ebenmäßig und die Augen erdgrau. Er sah um einiges besser aus als damals im
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