Ein Mann von Ehre
steht dir immer offen, ganz gleich, was die Leute von dir denken, Damian. Ich vergesse nicht, was du für Helen getan hast. Ich hätte derjenige sein sollen, der Roderick Harrington, diesen Teufel, zum Duell gefordert hat.“
„Du giltst als der schlechteste Schütze im ganzen Land und würdest nie aus nur zehn Schritten Abstand eine Scheunentür treffen“, erwiderte Damian und amüsierte sich über die gekränkte Miene des Freundes. Dann schwand sein Lächeln, und er setzte ein ernstes Gesicht auf. „Außerdem haben wir beide Helen geliebt. Es war nur wichtig, sie zu rächen.“
„Aber du hast darunter zu leiden gehabt, dass du für sie eingetreten bist“, sagte Lord Hugh grimmig, und sein Blick drückte Zorn aus. „Du hast einen schrecklichen Preis für deine Courage gezahlt.“
„Du befindest dich im Irrtum, mein Lieber“, entgegnete Damian schmunzelnd. „Es war die beste Entscheidung meines Vaters, mich nach Indien zu verbannen.“
„Oh, hast du dir dort ein Vermögen erworben?“
Damian nickte.
Sein Freund klopfte ihm anerkennend auf die Schultern. „Nun, das ist die beste Neuigkeit, die mir seit Langem zu Ohren gekommen ist. Bist du zurückgekommen, um das all den Dummköpfen, die dich gesellschaftlich geschnitten haben, unter die Nase zu reiben? Es geschähe ihnen recht!“
„Mein Großvater hat mir alles vererbt. Ich musste herkommen, um die Erbangelegenheit zu regeln. Offenbar hat er auch Schulden hinterlassen. Mein Onkel Jacob kann ohne mich nichts tun.“
„An deiner Stelle würde ich deine Verwandten in den Schulden ertrinken lassen! Entschuldige, Damian, aber keiner von ihnen ist es wert, dass man ihm hilft. Niemand aus deiner Familie hat je versucht, die Sache klarzustellen. Das hat mein Vater getan, und zwar gern. Ich kann dir nicht genug dafür danken, dass du in all den Jahren geschwiegen hast. Außerhalb meiner Familie hat nie jemand erfahren, dass meine Schwester …“ Überkommen von Gefühlen hielt Hugh inne.
Damian sah, wie sehr der Freund nach all dieser Zeit noch innerlich litt, und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ich hatte Helen ebenso gern wie du“, äußerte er spröde. „Für mich war sie wie eine Schwester.“
„Ich habe immer gehofft, dass sie eines Tagesmehr für dich sein würde“, murmelte Hugh und seufzte bei der Erinnerung an die hübsche, arglose Schwester, die sich vor Scham zu Tode gegrämt hatte.
„Ich muss dir etwas mitteilen, das ich viel zu spät herausgefunden habe“, sagte Damian.
„Betrifft das Helen?“
„Ja“, antwortete Damian grimmigen Gesichts. „Mir scheint, wir beide habe noch etwas zu klären, Hugh. Vielleicht kannst du mir helfen.“
„Natürlich unterstütze ich dich“, versicherte Lord Hugh. „Komm und iss mit mir zu Mittag. Übrigens geben wir heute Abend einen Ball, zu dem ich dich herzlich einlade.“
Damian versprach zu kommen. Er fühlte sich zwar nicht sonderlich dazu aufgelegt, Hunderte von Menschen um sich zu haben, aber Rosalyn hatte erwähnt, sie werde an diesem Ball teilnehmen. Vielleicht gelang es ihm dann, einige Augenblicke ungestört mit ihr reden zu können.
Zum Glück fühlte Mrs. Jenkins sich unpässlich, sodass Rosalyn und Beatrice ohne sie zum Ball bei Lord und Lady Renshaw fuhren. Rosalyn war überzeugt, der Abend werde viel amüsanter sein, wenn sie und ihre zukünftige Schwägerin nicht ständig von deren Erbtante im Auge behalten wurden.
Diese Ansicht stellte sich schnell als wahr heraus, nachdem man sich in Lord Hughs großer und eindrucksvoller, in Mayfair gelegener Stadtresidenz befand. In den kostbar eingerichteten Räumen drängten sich elegant gekleidete Gäste, und der Schmuck der Damen funkelte im Kerzenlicht. Trotz des Ausmaßes der Räume und der hohen Zimmerdecken war es überall sehr warm. Man hatte die Fenster des Ballsaales geöffnet, um frische Luft zu haben.
Rosalyn ließ sich ein Glas Champagner geben und schlenderte zu einem Fenster. In gewisser Hinsicht hatte sie an diesem Abend bei Beatrice die Funktion der Anstandsdame übernommen und vermutete, sie würde nicht viel Gelegenheit zum Tanzen haben. Allerdings waren ihr schon einige ihr bekannte Herren aufgefallen, Freunde des Bruders, und andere Männer, die der Vater vor seiner Erkrankung zu Besuch gehabt hatte.
Ein Weilchen beobachtete sie die Leute und klopfte, die Atmosphäre genießend, mit der Fußspitze im Takt der Musik auf das Parkett. Es war lange her, seit sie ein so glanzvolles Fest besucht hatte, und sie
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