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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sagte Bob Barreis mit ruhiger Stimme. Er sprang aus dem Wagen, reckte sich in der kalten Abendluft, ein fahler Schatten gegen den Widerschein der Autolichter auf der Autobahn unter ihnen. »Komm, steig aus.«
    Renate Peters öffnete ihre Tür, stieg aus dem Wagen und kam um den Kofferraum herum auf Bob zu. Er hatte gute Augen, geschult in vielen Nächten hinter dem Steuer und auf unter ihm wegrasenden Straßen. Er umfaßte mit einem langen, stummen Blick ihren Körper … stämmige Beine, runde Hüften, eine auffallend schlanke Taille, die schönen, festen Brüste, das Schönste an ihr, darüber die weißlich schimmernde Fläche des Gesichts. Alles unberührt, sauber, von einer geradezu erdrückenden Gloriole der Anständigkeit umleuchtet.
    »Komm her …«, sagte Bob Barreis leise. Er griff zu, zog sie an den Schultern zu sich und starrte ihr in die plötzlich flackernden ängstlichen Augen. Eine Strähne ihres Haares fiel ihr in die Stirn, als zerschnitte sie das Gesicht.
    »Du hast Angst?«
    Welch eine Stimme. Samtweich, streichelnd, gefüllt mit Melodie, ein Kuß aus Worten. Und im Inneren zerplatzten feurige Kugeln.
    »Nein.« Renate schüttelte den Kopf. »Angst vor dir? Aber Bob! Du hast auf meinen Knien gesessen –«
    »Hab' ich das?«
    »Darum sag mir jetzt die Wahrheit, Bob: Hättest du Lutz noch herausholen können?«
    »Es ist schrecklich, von solch einem dummen Luder großgezogen worden zu sein. Meine Mutter hat geweint und gebetet, mein Onkel mich tyrannisiert, Tante Ellen verführte mich, und du hast mir Sanftmut ins Gesicht geblasen! O Teufel, welche Welt, in die ich geboren wurde …« Er ließ ihre Schulter los, holte weit aus und schlug sie ins Gesicht.
    Sie schwankte ein wenig, aber fiel nicht um, lief nicht weg, hob nicht einmal ihre Arme zum Schutz. Sie blieb einfach stehen, mit hängenden Armen, in ihrem Blick ein Leid, als sei nicht sie geschlagen worden, sondern als hinge Bob Barreis am Kreuz, und als er wieder ausholte, langsam, mit weiter Armbewegung, ihr Zeit genug lassend, daß sie weglaufen oder sich ducken oder aufschreien konnte, sagte sie nur:
    »Bob! Warum tust du das? Bob …«
    Der zweite Schlag, fürchterlich, weil Bob sein Körpergewicht hineinlegte, er fiel fast gegen sie, aber ihr runder, bäuerlicher Kopf hielt auch diesem Schlag stand, bewegte sich nur ein wenig, ja, sie hielt Bob sogar fest, als er vom eigenen Schwung stolperte.
    »Du Märtyrerin!« keuchte er. Schweiß überrann seinen Körper, alles an ihm klebte, er meinte, sich selbst zu riechen, einen Gestank nach Blut, Ausdünstung einer wilden Lust der Vernichtung. »Du verdammte Mutterheilige. Ich habe Lutz getötet?«
    »Ja«, sagte sie tief aufatmend. »Ja, Bob. Jetzt weiß ich es. Du kannst vor mir nicht lügen. Konntest es nie. Komm nach Hause, Bob.«
    Bob Barreis nickte. Aber er ging nicht zum Wagen … er packte plötzlich wieder zu, umkrallte Renates Hals und drückte die Finger zusammen. Ihre Augen wurden starr, schoben sich aus den Höhlen hervor, der Mund riß auf, als habe ein Beilhieb das Gesicht gespalten.
    »Bob!« keuchte sie. »Bob! Bob!«
    Jetzt wehrte sie sich. Jetzt erkannte sie auch seinen Blick, seine strahlenden, wie polierten Augen, seinen leicht geöffneten, schönen, fast weibischen Mund, der zu zucken begann wie im Höchstgefühl sinnlicher Lust. Sie verstand seinen stoßweisen Atem und das Zittern, das ihn überfiel wie ein Schüttelfrost.
    Mit einem wilden Ruck riß sie sich los, rannte davon … nicht zum Auto, das bot keinen Schutz, das stand allein, unbeleuchtet, ein schwarzer, drohender, blecherner Kasten, ein Sarg auf Rädern … sie rannte zum Brückengeländer, in das Licht hinein, das von der Autobahn reflektierte, zu den rasenden Lichtpunkten unter ihr, die Leben bedeuteten, Leben, Überleben, Weiterleben … Lichter, die Hilfe waren, Rettung, Rückkehr in diese Welt, die sie – das erkannte sie jetzt – schon seit Minuten verlassen hatte, ohne es zu merken … sie erreichte das eiserne Geländer, umklammerte es, beugte sich vor und schrie in die rumorende, jaulende, reifenmahlende, scheinwerferdurchschnittene Tiefe hinunter.
    »Hilfe! Hilfe! Hilfe! Er will mich töten! Er kommt! Hilfe –«
    Bob Barreis erreichte sie in dem Moment, als sie sich über das Geländer schwang, auf den einzigen Weg, der ihr noch offen war, der Weg in die Tiefe. Mit beiden Fäusten hieb er auf ihren Kopf, auf die Arme, auf die Hände, die das Eisen umklammerten … sie ließ sich fallen, hing außen

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