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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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sagen kannst, ob du ein Prophet bist, welchen Sinn hat dann die Taufe, die du den Leuten zuteil werden läßt? Bist du Essener?«
    »Wenn ich ein Essener wäre, dann würde ich wohl auch bei den Essenern leben, meint ihr nicht? Sicher, ich taufe, wie sie, mit Wasser, aber ich tue das nur einmal und nicht alle Tage. Eine Taufe genügt, um den Reuigen von seinen Sünden reinzuwaschen.«
    »Willst du damit andeuten, daß diejenigen, die durch dich noch nicht getauft wurden, unrein sind?«
    »Das liegt bei euch, wie ihr es auffassen wollt«, antwortete Jokanaan mit einem Lächeln. »Die Sünde jedenfalls existiert nur in den Augen des Sünders. Wenn ihr euch für rein haltet, weshalb macht ihr euch dann Gedanken um meine Taufe?«
    »Das haben wir dir ja bereits gesagt, wir sind hier, um diesen wildwuchernden Gerüchten nachzugehen.«
    »Wenn ich schon euren Seelenfrieden störe, wie mag es dann erst mit dem werden, der nach mir kommt!« meinte er provozierend. »Wer?« wollten sie im Chor wissen.
    »Ein so großer Mann, daß ich nicht einmal würdig bin, ihm die Sandalen auszuziehen«, antwortete er und sah Jesus an.
    »Von wem sprichst du?« fragte der Wortführer der Gruppe und zupfte beunruhigt an seinem ausgefransten Bart. »Kennst du ihn? Kennen wir ihn?«
    »Ich spreche vom Messias!« schrie Jokanaan plötzlich auf, mit einer Heftigkeit, die allen durch die Glieder fuhr. »Nehmt euch in acht, ihr und eure Herren«, fuhr er gleich darauf wieder mit leiser, drohender Stimme fort, »eine jede eurer Taten wird er auf eine Feuerwaage legen! Die Steine eurer Häuser werden in ihren Grundfesten erzittern, wenn er erscheint, und jedes einzelne Haar auf euren Köpfen wird auf der Stelle ergrauen!«
    Vor Wut liefen ihre Gesichter rot an. Jokanaan erhob sich.
    »So, ihr habt nun alle Antworten, die ihr braucht. Ihr habt hier nichts mehr verloren. Betet, daß euch Satan auf dem Heimweg nicht in einem Sandsturm verschluckt!«
    Fast augenblicklich erhob sich ein Wind und wirbelte Staub in ihrer Nähe auf. Sie traten den Rückzug an. Und als sie ihre Maultiere bestiegen, blies der Wind immer kräftiger. Trotz Wind und Entfernung aber drang Jokanaans Lachen bis zu ihnen.
    »Der Wind!« rief er. »Seht nur, die Ernte des törichten Schnitters!«
    »Sie sind gekommen, um Streit zu suchen«, bemerkte Jesus.
    »Ja, das sind Streithammel, zänkisch wie Wiesel und feig wie Hasen«, sagte Jokanaan. »Ich kenne sie. Das Herz bleibt ihnen stehen, sobald sie auch nur einen Schatten an der Wand sehen.«
    Er keuchte. Einer seiner Schüler half ihm, sich wieder zu setzen. »Das ist er, der nach mir kommt.« Jokanaan wies mit dem Finger auf Jesus. »Er ist der Auserwählte. Er ist gekommen, um die Welt zu erlösen.«
    Jesus war ihm dankbar, daß er nicht das Wort »Messias« benutzt hatte.
     

II.
     
    Korn im Wind
     
    ...Und plötzlich ist der Mensch wie das Kornfeld im Wind, dessen Ähren sich alle in dieselbe Richtung neigen. Er glaubt. Das heißt, alle Fasern seines Seins sind auf denselben Punkt, auf ein geistiges Ziel ausgerichtet. Was für ein Wind war das nur gewesen, der Jokanaan eingeflüstert hatte, sein alter Klosterbruder aus Qumran sei der Messias? Fast unentwegt beschäftigte Jesus die Frage auf seiner Wanderschaft durch das Land. In Betanien dann hatte er plötzlich das Gefühl, sich in einem solchen Kornfeld, mit dem er Jokanaan verglichen hatte, zu befinden.
    Er bat um Arbeit und Unterkunft. Man fragte ihn nach seinem Namen. Der Zimmermann, an den er sich gewandt hatte, sah ihn lange eindringlich an, was Jesus als taktlos empfand. Dann nickte der Zimmermann leicht, wie im Selbstgespräch.
    »Habe ich dich nicht schon einmal gesehen, am Jordanufer, bei dem Eremiten Jokanaan?« fragte er schließlich.
    »Ich war dort, ja«, entgegnete Jesus, »aber es waren so viele Leute da... Verzeih, wenn ich dich nicht wiedererkenne.«
    »Bist du nicht derjenige, den Jokanaan als Messias bezeichnete?« Wortlos sahen sie sich eine Weile an.
    »Doch, ja, das bin ich«, antwortete Jesus endlich.
    »Die Wolken können zwar die Sonne verdecken, aber sie können es nicht Nacht werden lassen«, sagte der Zimmermann. »Du brauchst keine Arbeit, du kannst kein Zimmermann sein.«
    »Und doch ist es mein Beruf«, versetzte Jesus.
    »Meister, das ist es nicht, was ich sagen wollte. Ich bin zutiefst ergriffen, daß du mein Handwerk kennst. Aber dies ist nicht der Augenblick für Säge und Hobel. Ganz Betanien wird dich wiedererkennen.«
    »Aber ich

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