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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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als handele es sich um nahe Verwandte. Und sie sind einflußreich, diese Leute. Es hätte gar keinen Sinn, meine Zeit damit zu verschwenden, das Banner Moses’ zu schwingen und meinen Schützlingen zu raten, nicht auf sie zu hören. Antiochia ist nicht Jerusalem. Diese Leute führen Lobreden über die Essener, nur weil sie einen Griechen, Kreter oder Bithynier von ihnen schwärmen gehört haben. Ärgerlicherweise spricht alles dafür, daß die Essener ihrerseits keine Lobreden auf mich oder die übrigen Priester führen. Das ist unangenehm und um so mehr, als ich, wie ich gestehen muß, nahezu nichts über sie oder ihre Lehre weiß.«
    Josef von Arimathäa erhob sich, um zwei Silberbecher mit Samos-Wein zu füllen, reichte Joram einen davon und trank einen Schluck aus dem anderen. Joram kostete mit der Zungenspitze und war hingerissen von dem vollen, harzigen Geschmack des Weines.
    »Ich möchte vorausschicken«, sagte Josef, »daß es schwierig ist, sich eine Meinung über die Essener zu bilden.« Er legte ein Bein über das andere und lehnte sich in die Kissen des Diwans zurück. »Ursprünglich waren sie Pharisäer, die vor etwa hundertfünfzig Jahren, zu Beginn der Hasmonäer-Herrschaft, ziemlich lockere Bruderschaften bildeten. Mancherorts wurden sie als Therapeuten oder als Heiler bezeichnet, und andernorts auch als Hemerobaptisten, da sie die Gepflogenheit haben, täglich ein Bad zu nehmen. Was sie hauptsächlich miteinander verband, war die Abscheu vor dem jüdischen Volk, das die Gesetze des Moses immer weniger achtete. Schon wie sie genannt wurden, verrät, daß sie der körperlichen Reinheit große Bedeutung beimaßen. Obwohl wir zu jener Zeit nicht als besonders krank oder ungepflegt galten, war es doch eine Neuheit, sich täglich zu baden oder den damals schlechtangesehenen Beruf eines Arztes auszuüben. Schon unter der Herrschaft der Hasmonäer waren sie unzufrieden gewesen, als wir aber von den Seleukiden und später von den Römern beherrscht wurden, wurden sie vollends rebellisch. Und man konnte sich ja auch tatsächlich der Wirklichkeit nicht mehr verschließen. Verzeih mir, wenn ich es so klar heraus sage: Die Bemühungen, die wir Pharisäer und die Sadduzäer unternahmen, dem Gesetz Moses’ wieder seine alte Gültigkeit zu verschaffen, waren vergebens.« Josef von Arimathäa seufzte.
    Joram lauschte mit vorgerecktem Hals, um ja keine Silbe von dem zu verpassen, was sein Gastgeber zu berichten hatte. Jeder trank einen Schluck.
    Dann fuhr Josef fort: »Damals distanzierten sich diese Heiler, oder wie immer man sie nennen will, noch weiter von den anderen Juden. Sie verließen die Städte, in denen sie gelebt hatten, und begannen in der Umgebung Selbstkasteiung und strenge Zucht zu predigen als Buße und Vorbereitung für die Ankunft des Messias. Deshalb nannte man sie bald die Büßer. Die fanatischsten gingen in die Wüste, um sich im Qumran, in dieser trostlosen Gegend am Toten Meer, niederzulassen. Und dort befolgten sie die Weisung des Propheten Jesaja: >Geh in die Wüste und folge dort dem Weg des Herrn!< Sie sind heute noch dort, zumindest der harte Kern ihrer Sekte, denn Essener gibt es auch in Ägypten, zum Beispiel am See Mareotis bei Alexandria, und auch bei euch leben einige. Erst später nannte man sie Essener, vielleicht in Anlehnung an den aramäischen Begriff el Häsin, was soviel heißt wie >die Frommen<, unter Umständen aber auch nach einer anderen, ebenfalls aramäischen Bezeichnung, el Cenu’im, was >die Keuschen< bedeutet. Sie sind nämlich gegen die Ehe, und mehr noch, gegen geschlechtliche Liebe.«
    »Wie viele Essener gibt es wohl?« fragte Joram.
    »In Qumran dürften es nicht mehr als zwei- oder dreihundert sei, in Palästina insgesamt viertausend, und fünfzehntausend im ganzen Orient.« Während er aufstand, um Wein nachzuschenken, berichtete Josef weiter: »Hier in Jerusalem spricht man nicht viel über sie. Manchmal könnte man meinen, wir wüßten nichts von ihrer Existenz. Doch das ist keineswegs der Fall. Wir wissen, daß sich ihr Glaube und ihre Einstellung in den letzten zehn oder fünfzehn Jahren sehr stark verändert haben. Von den übrigen Juden trennen sie mittlerweile Welten. So ist es ihnen gelungen, sich völlig gegen griechische oder römische Einflüsse abzuschotten, dasselbe gilt für den immer noch existierenden Baal-Kult. Es ist traurig, das sagen zu müssen, lieber Freund, aber in den meisten jüdischen Haushalten, und wenn man dort noch so fromm

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