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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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Eltern getrennt worden, so drängten sich dort die Menschen. Esel, Pferde und Kamele kamen nur langsam voran. Jerusalem! Die Menge vor den Toren war so dicht, daß man für die Strecke von einer halben Wegstunde bis zu einem der Stadttore eine ganze Stunde brauchte. Ein riesenhaftes. Tier ragte über alle anderen Reit- und Lasttiere hinaus, gewiß war das ein Elefant. Aus einer Art Sänfte auf dem Rücken des Ungetüms blickte ein Reisender mit einer Hautfarbe, die an Oliven erinnerte, arrogant über die Menge unter ihm hinweg. Da gab es Griechen, Römer, Syrier und Nabatäer, die Jesus unterscheiden konnte, da er sie schon von Kafarnaum her kannte. Aber die anderen? Waren das Hulathiner, Zyprioten, Parther? Oder gar Bithynier oder Leute vom Pontus? Sie konnten schließlich unmöglich alle Juden sein. In große Umhänge gehüllt die einen, kaum bekleidet die anderen, blonde Haarschöpfe, schwarze Haut, krauses Haar, kahlrasierte Köpfe, und alles redete in unbekannten Sprachen...
    Jesus blickte um sich. Josef und Maria waren nirgendwo mehr zu sehen. Er war allein in dem trägen, aber unaufhaltsamen Strom, der auf ein noch unsichtbares Ziel zustrebte, ganz gewiß den Tempel, jenes architektonische Wunderwerk, Sitz der religiösen Macht, Inkarnation des jüdischen Geistes und ständige Ursache für Josefs unversöhnlichen Haß.
    Sollte er gleich zum Tempel gehen? Als er endlich das Stadtviertel Har ha bavit, Berg des Hauses, erreichte, begann es schon zu dämmern, und die Menschenmenge schob sich entlang der beiden Aufgänge, die zu den äußeren Toren führten, so langsam voran, daß Jesus sein Vorhaben aufgab. Mindestens eine Stunde würde er noch brauchen. Er war erschöpft und müde, und der Hunger plagte ihn. Er beschloß, am nächsten Tag wieder zu kommen. Sich etwas zu essen zu kaufen erwies sich schnell als aussichtslos: Ein karges Mahl, wie er es sonst in Kafarnaum zu sich nahm, hätte ihn die Hälfte dessen gekostet, was er von Josef bekommen hatte. Ein Brot und getrocknete Feigen hatte er mitgebracht. Er aß ein wenig von beidem und trank Wasser aus einem Brunnen, an dem er sich auch Gesicht, Hände und Arme wusch.
    Wo sollte er schlafen? Zu Simon zu gehen, hatte er wenig Lust, und in einer Herberge ein Zimmer zu nehmen war unmöglich. Er lief weiter und gelangte in ein ruhigeres Viertel, wo er am Fuße einer hohen Mauer ein stilles Eckchen fand. Die Wachsoldaten hoch über ihm schienen keinen Anstoß daran zu nehmen, daß er es sich hier bequem machte. Er rollte sich zusammen, zog den Mantel enger um die Schultern, denn die Nacht war frisch, und schlief sogleich ein.
    »Was hast du hier zu suchen, Junge? Der Palast des Königs ist kein Unterschlupf für Herumtreiber!«
    Jesus blinzelte verschlafen. Vor sich sah er einen Soldaten in funkelnder Rüstung. Er setzte sich auf und rieb sich die Augen. Der Soldat wartete darauf, daß er sich aus dem Staub machte. Also stand er auf und entfernte sich, wobei er sich mehrmals umdrehte, um nach Möglichkeit einen Blick auf den Palast dieses Königs zu erhaschen, von dem er nur wußte, daß er nicht mehr Archelaus war. Obwohl eben erst der Tag dämmerte, war in Jerusalem schon wieder alles auf den Beinen. 7 In den Gassen wogte ein endloser Strom von Bauern. Ihre Lasttiere waren beladen mit Körben, Käfigen, Tonkrügen, Wein- und Wasserschläuchen, Gemüse und Geflügel. Hier schob einer sein zu schwer beladenes Maultier, dort zog ein anderer seinen Esel am Halfter quer durch eine Schafherde. Lange vor Morgengrauen waren sie aufgestanden und hatten vor den Stadttoren warten müssen, bis man sie endlich mit ihren Waren einließ: Feigen und Granatäpfel aus Ägypten, Koriander und Anis, Datteln und Melonen, Thunfisch aus dem Roten Meer und Forellen aus dem Jordan, Hühner, Wachteln, Tauben für den Mittagstisch und andere für die Opferung; Mehlsäcke wurden geschleppt und Krüge mit Oliven- und Sesamöl, Käse aus Galiläa und Judäa, Salz vom Toten Meer und Pfeffer aus Abessinien. Gerüche vermischten sich mit Gackern, Blöken und dem Geschrei der Händler sowie den Fragen der Hausfrauen und Dienerinnen, von denen die meisten eigentlich nur mit ihren Krügen Wasser holen gegangen waren.
    »Heb mir fünf Seezungen auf!«
    »Sie sind alle schon im voraus an die Herberge >Zum Pilger< verkauft.«
    »Was für einen Wein hast du anzubieten?«
    »Galiläischen. Wenn du zypriotischen willst, brauchst du nur meinen Bruder Samuel hinter mir zu fragen...«
    Jesus war hellwach. Wo

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