Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)
dich.«
Daisy wischte sich die Augen ab, sammelte sich, starrte in die Ferne und biss sich auf die Oberlippe.
»Du bist ihr so ähnlich, weißt du das?«, sagte sie plötzlich. »Manchmal, wenn ich dich ansehe, erinnerst du mich so sehr an sie, dass ich es kaum fassen kann.«
»Das sagt Dad auch«, erwiderte ich. »Ich selbst sehe es nicht – ich meine, wenn ich Bilder von Mum anschaue.«
Ich sagte das zwar, doch in Wahrheit konnte auch ich es sehen. Ich wusste einfach nur nie, was ich in solchen Situationen sagen sollte, denn aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, keinen so großen Anspruch auf Mum erheben zu dürfen wie Daisy, da sie älter war und sie länger gekannt hatte. Ich war immer diejenige gewesen, die versucht hatte, in ihre Fußstapfen zu treten, um die anderen aufzumuntern.
Wir saßen eine Weile schweigend da. Über uns lag eine angespannte Stille. Daisy nahm sich hier und da etwas vom Essen. Ich legte mich auf die Decke, schloss die Augen und horchte auf die Geräusche im Park: rufende Kinder, vor sich hin dudelnde Musik und das Läuten eines Eiswagens in der Ferne.
»Ich frage mich, was sie jetzt von uns denken würde«, sagte ich und beobachtete eine Familie, die Liegestühle aufstellte und eine riesige Kühltasche auspackte. Die Mutter verteilte Sandwichs an die Kinder und lächelte sie strahlend an.
»Ich wollte nichts mehr, als ein Leben führen, das sie stolz gemacht hätte«, antwortete Daisy. »Aber ich habe das Gefühl, fürchterlich versagt zu haben. Und wenn sie wüsste, wie ich mit Benji umgehe … Manchmal bin ich so müde und genervt von ihm, dass ich …«
Dicke Tränen kullerten über Daisys Wangen, ihre Stimme versagte. Verblüfft schaute ich sie an. Normalerweise war Daisy eine beherrschte, zurückhaltende Person; seit sie erwachsen war, hatte ich sie nur ein- oder zweimal so aufgelöst gesehen.
»Natürlich wäre sie stolz auf dich!«, entgegnete ich und fuhr ihr mit der Hand über den Rücken. »Du hast einen klasse Job, hast dich um mich und Dad toll gekümmert und bist Benji eine wunderbare Mutter. Daisy, weine nicht, das passt gar nicht zu dir! Du sorgst dich nur um deine Arbeit und hast gestern Nacht nicht genügend Schlaf bekommen. Wenn hier jemand sein Leben vermurkst hat, dann bin ich es und nicht du. Mum wäre so stolz auf dich. Ob sie das auch auf mich wäre – da bin ich mir nicht so sicher.«
Die Bemerkung über mein Leben hatte flapsig klingen sollen, doch wir beide hatten einen Unterton in meiner Stimme bemerkt, der Daisy aufhorchen ließ. Sie schaute mich mit gerunzelter Stirn an.
»Warum?«, fragte sie. »Ich dachte immer, dein Leben wäre ein einziges rauschendes Fest. Abgesehen von ein paar kurzzeitigen Tiefpunkten, hast du eine Menge Freunde und einen fantastischen Freund, der immer wieder um deine Hand anhält, stehst kurz davor, dein eigenes Café zu eröffnen, und Dad vergöttert dich auch. Mir scheint, dein Leben wäre ein einziger Spaziergang. Ist doch so, oder? Ich meine, du bist doch glücklich?! Oder macht etwa die Sache mit Ethan dir das Leben schwer?«
Ich zuckte mit den Achseln, nickte halb und verzog das Gesicht.
»Theoretisch gesehen ist das Café toll, aber ich muss noch eine ganze Menge Geld auftreiben, um die Küche fertig einrichten zu können«, erklärte ich. »Ich bin überzeugt, Joe wird mir dieses Mal ernsthaft einen Antrag machen, und ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll, jetzt, wo Ethan wieder da ist und … Ich weiß nicht. Ich habe immer noch Gefühle für ihn, Daisy, wirklich! Was soll ich Joe nur antworten, wenn er mich bittet, ihn zu heiraten? Ich bin völlig durcheinander. Abgesehen davon weißt du, dass Ethan etwas mehr als ein kurzzeitiger Tiefpunkt war.«
Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus, aber plötzlich hielt ich inne, da ich von ihrer Tragweite überrascht war. Daisy warf ihren Kopf zurück und starrte nach oben in den wolkenlosen Himmel, als wäre sie völlig entnervt. Sie blies Luft aus den Nasenlöchern, zerknüllte das Papier, in dem der Käse eingewickelt gewesen war, und warf es in die Mitte der Picknickdecke. Sie sagte weder ein Wort noch lächelte sie, sondern setzte nur ihre Sonnenbrille wieder auf. Ich betrachtete sie vorsichtig. Vielleicht hatte sie mich nicht gehört?
»Ich habe immer noch Gefühle für ihn«, versuchte ich es noch einmal. »Trotz allem, was passiert ist, gibt es da immer noch etwas zwischen uns. Ein Teil von mir liebt Ethan noch immer, und ich weiß nicht,
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