Ein mörderischer Schatten (German Edition)
wieder nach ihrem Telefon. Ein Musikton hatte eben eine neue Nachricht verkündet. „Komm zur Gasse. Alleine“, las sie leise die Textnachricht ihrer Freundin. Hatte sie doch richtig gehört, vorhin. Merkwürdig. Hier war immer noch Hochbetrieb, sowohl vor dem Zelt als auch innen. Sogar die Kirmes war noch gut besucht, hier tummelten sich unzählige Jugendliche. Seit wann verließ Sabine freiwillig eine Feier, solange noch Stimmung war? Dann kam Toni ein Gedanke. Vielleicht war ihr ja übel und deshalb war sie irgendwo hingegangen, wo sie etwas Privatsphäre hätte. Hatte sie nicht auch etwas davon gesagt, dass ihr schlecht war? Naja, wahrscheinlich war Sabine vor den anderen Leuten in die Gasse geflüchtet. Verständlich, dass sie nicht unbedingt Zuschauer brauchte, wenn sie ihre Currywurst wieder von sich gab. Eine zweite Nachricht erschien. Toni sah auf das Display. „Ja, ja, ich komm ja.“ Sabine musste es wirklich schlecht gehen, wenn sie jemanden zur Unterstützung brauchte. „Hast wieder so viel getrunken, das dich jemand stützen muss, was?“, murmelte Toni verständnislos. Dann sah sie sich schnell um, ob auch keiner gehört hatte, wie sie schon wieder mit sich selber gesprochen hatte. Toni verschränkte die Arme vor der Brust, stapfte hinter das Zelt und lief über die Wiese auf die hundert Meter entfernte alte Gasse zu, die vom Kirmesplatz ins Dorf führte. Toni sah auf den Boden vor sich und versuchte, nicht in einen der zahlreichen Hundehaufen zu treten, die hier auf der Wiese verstreut waren. Außer einer Woche im Juni, wenn hier das große Bierzelt aufgebaut wurde und dem Martinsfeuer im November wurde diese Wiese hauptsächlich als Hundeauslaufplatz genutzt. Toni strengte sich an, zu sehen, wohin sie trat. Die Straßenlampen warten zu weit entfernt, um genug Licht zu spenden, so konnte man nur Schatten und Umrisse erkennen. Toni verzog das Gesicht, als sie mit ihrem Sandalenabsatz in etwas Weichem versank. Sie glaubte nicht, dass die paar Tropfen Regen vorhin ausgereicht hatten, den Boden aufzuweichen. „Toll. Gleich hab ich tonnenweise Hundescheiße an meinen Schuhen.“ Endlich am Eingang der Gasse angekommen, rief Toni: „Sabine?“ Keine Antwort. Toni starrte in die dunkle Gasse. Nach zwanzig Metern stand in der Mitte der Gasse eine alte Laterne, die ungefähr so viel Licht spendete wie ein Streichholz. „Sabine!“ Langsam trat Toni in die Gasse. Vorsichtig wich sie den Scherben einer zerbrochenen Flasche aus und kämpfte sich weiter vor. „Sabine!“, rief sie wieder, mittlerweile besorgt. Sie würde doch nicht ohnmächtig geworden sein? Sabine trieb ihr Feiern, genau wie ihr Liebesleben, manchmal zum Exzess. „Au! Was liegt denn hier alles rum, verdammt“, fluchte sie, als sie auf etwas Hartes trat und umknickte. „Wenn ich morgen einen geschwollenen Knöchel habe und Schnittwunden an den Füßen, die sich wegen der Hundescheiße am Schuh infiziert haben, bist du es schuld, Sabine“, rief sie, während sie vorsichtig weiter lief. Sie näherte sich der alten Laterne und nun konnte sie auch wieder erkennen, wohin sie trat. Sie schüttelte den Kopf, als sie sah, dass jemand die Papierrosen, die viele Leute mit einer Heidenarbeit gerollt hatten und die eigentlich die Hecken schmücken sollten, auf dem Boden verteilt hatte. „Unmöglich, die Jugendlichen heutzutage.“ Wo war nur Sabine? Ob sie doch schon alleine nach Hause gewankt war? Toni wich den armen Papierblumen aus, denn sie weigerte sich, darauf zu treten. Das stellte sich als schwieriges Unterfangen raus, denn es wurden immer mehr. Toni runzelte die Stirn und starrte auf den Boden vor ihr, der schon wieder dunkler wurde, je weiter sie sich von der Laterne entfernte. Als ihre Fußspitze auf etwas Silbernes traf, blieb sie stehen. Langsam bückte sie sich, um den Gegenstand erkennen zu können. Verwundert griff sie danach und besorgt erkannte sie, dass sie Sabines Handtasche in der Hand hielt. „Sabine?“ Plötzlich wurde es Toni unwohl, und langsam erhob sie sich. Sie trat zögernd einen Schritt voran, dann noch einen, ehe sie mit klopfendem Herzen stehenblieb. Dort ein Stück weiter lag etwas. Etwas Großes. „Sabine!“ Toni eilte die paar Meter zu dem Klumpen, den sie für ihre Freundin hielt. Sie ließ sich auf die Knie fallen und beugte sich zu Sabine hinunter. Ob sie gefallen war? Oder zu viel getrunken hatte? Toni tastete im Dunkeln ihre Freundin ab und als sie etwas Nasses an ihren Fingen spürte, zog sie
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