Ein mörderisches Komplott (German Edition)
Harrys
todkranke Frau Barbara gepflegt, bis diese an Gebärmutterhalskrebs starb. Zuvor
hatte Evelyne ihr versprochen, sich der kleinen Mädchen anzunehmen. Immer wenn
Harry geschäftlich unterwegs war, hielten sich Jessica und Katie bei Tante
Evelyne auf und fanden dort neben einer liebevollen Betreuung stets einen
reich gedeckten Tisch vor.
Mrs Forster eilte sofort nach dem Anruf herbei. Zu ihrer
Verwunderung stellte sie fest, dass die Montagehalle noch hell erleuchtet und
das Rolltor geöffnet war. Da Harry nie so spät noch Reparaturen ausführte,
hatte er wohl vergessen, das Licht auszuschalten und das Tor abzuschließen.
Deshalb ging Evelyne gleich zum Wohnhaus hinüber. Doch als sich dort trotz
mehrfachen Läutens nichts rührte, rief sie: »Harry, hier ist Evelyne, mach
mal auf!« und dann wieder »Was ist los, Harry? Mach doch auf! « Aber
alles blieb still. Plötzlich zuckte sie zusammen, denn sie vernahm jetzt das
Anlassen eines Motors, darauf das mehrmalige Zuklappen einer Autotür. Als sie
zur Montagehalle rannte, sah sie gerade noch eine große Limousine in Richtung
Inverness davonfahren. Aber sie hatte das Kennzeichen noch lesen können. Es war
leicht zu merken, denn es enthielt die Initialen ihres verstorbenen Mannes und
die Jahreszahl ihrer Geburt. Sie rannte zurück zur Haustür, aus der ihr Katie
und Jessica in ihren langen Nachthemdchen heulend und frierend entgegenkamen.
»Papa ist nicht da!«, schluchzte Katie und Jessica fügte
schreckensbleich hinzu: »Da drin war ein Mann, ich hab noch gesehen, wie er zur
Hoftür hinausrannte.«
Evelyne ließ sich ihre Besorgnis nicht anmerken.
»Bestimmt hast du nur geträumt, Jessica!« Nun geht schön wieder in eure Betten.
Euer Daddy repariert bestimmt noch ein Auto, auch wenn es schon spät ist. Das
kann mal vorkommen. Ich schaue später noch mal nach euch, okay?«
Als ob sie ahnte, dass hier etwas nicht stimmte, zog sie
den innen steckenden Schlüssel ab und ließ die Haustür hinter sich ins Schloss
fallen. Mit bangem Gefühl überquerte sie den Hof und ging auf die Montagehalle
zu.
Zur gleichen Zeit saß Paul mit Jenny im Restaurant La Stella
dello Stivale beim Dinner, als ihn der Anruf eines Polizeipostens
erreichte. An seiner sich verfinsternden Miene erkannte Jenny sofort, dass
etwas Tragisches vorgefallen war. Paul schob den Teller von sich, wischte
seinen Mund ab und sagte: »Der Kopfschussmörder hat wieder zugeschlagen, Jenny.
Man braucht mich jetzt dringend in Aviemore.«
»Oh mein Gott! Wer ist diesmal sein Opfer? Doch nicht
etwa Harry Coleman, der uns morgen Vormittag besuchen wollte?«
»Leider genau der ! Schade um unsern schönen
Abend, Jenny. Aber ich muss jetzt fahren. Bitte, erledige du das mit dem
Kellner; morgen rechnen wir dann ab.«
Jenny verzog das Gesicht. »Was heißt das? Willst du mich
nicht mitnehmen?«
»Nein, Jenny, denn was dich dort erwartet, ist bestimmt
nichts für ein sensibles Frauengemüt. Ab sofort werde ich auf deine Hilfe
verzichten müssen, das Ganze scheint immer schauderhafter und gefährlicher zu
werden. Und schließlich trage ich für dich die volle Verantwortung.«
Noch ehe Jenny etwas erwidern konnte, hatte sich Paul
mit einem flüchtigen Kuss verabschiedet. Bedrückt sah sie ihm nach, wie er sich
seinen Weg durch die vollbesetzten Tische bahnte, bis er gänzlich aus ihrem
Blickfeld verschwunden war.
Einerseits war Jenny über das unerwartete Ende des
gemeinsamen Abendessens enttäuscht. Andererseits glaubte sie Paul inzwischen so
gut zu kennen, dass er wohl stichhaltige Gründe dafür hatte, sie nicht weiter
zu integrieren. Im Grunde genommen war ihr das sogar recht. Harry McKinnel
hatte ihr erst kürzlich geraten: »Lassen Sie die Finger von solchen Dingen,
Miss Symon! Ich kann Sie nur warnen. Schon einmal hatten Sie sich in
Lebensgefahr begeben. Das nächste Mal könnte es weit schlimmer ausgehen.« Auch wenn es ihr schwerfiel, wollte sie den Rat ihres väterlichen Chefs
beherzigen.
Paul O’Brien rief noch vom Auto aus Hastings an. Der zeigte
sich zunächst ungehalten, weil er sich gerade mit seiner Freundin einen
Fernsehkrimi anschaute.
»Machen Sie sich fertig, Hastings! Ich hole Sie in
wenigen Minuten ab. Es gab schon wieder einen Kopfschussmord, diesmal in
Aviemore.«
Als Hastings das vernahm, verflog abrupt sein Ärger
wegen der abendlichen Störung. Schon immer hatte er darauf gehofft, zu einem
Tatort wie diesem
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