Ein Mord wird angekündigt
nur Belle – seine Frau –, und er liebte sie bis zu seinem Tode. Wahrscheinlich wollte er mir auf diese Art seine Dankbarkeit bezeugen. Wissen Sie, Herr Inspektor, zu Beginn seiner Laufbahn stand er nämlich einmal dicht vor dem Ruin, obwohl es sich nur um ein paar tausend Pfund Bargeld handelte. Es war ein großer Coup, es war höchst aufregend, es war tollkühn wie all seine Spekulationen, aber gerade dies bisschen Bargeld fehlte ihm, um ihn über Wasser zu ha l ten. Ich hatte etwas Vermögen und stellte ihm das Geld zur Ve r fügung … eine Woche später war er ein enorm reicher Mann. Von da an behandelte er mich mehr oder weniger als seine Partnerin. Ja, das waren aufregende Ze i ten!«
Sie seufzte und schien eine Zeit lang in Gedanken an verflossene Tage versunken.
»Ich habe das genossen. Dann starb mein Vater, und meine einzige Schwester blieb hoffnungslos krank zurück. Ich musste alles aufgeben und sie pflegen. Zwei Jahre später starb Randall. Ich hatte während unserer Zusa m menarbeit ein ganz schönes Vermögen gemacht und hatte gar nicht erwartet, dass er mir etwas hinterließe, aber ich war zutiefst gerührt und sehr stolz, als ich erfuhr, dass ich, wenn Belle vor mir stürbe, sein ganzes Vermögen erben würde. Ich glaube, der arme Mann wusste einfach nicht, wem er es vermachen sollte. Belle ist eine entz ü ckende Frau, und sie war richtig froh über sein Test a ment. Sie ist so lieb. Sie lebt in Schottland, ich habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen, wir schreiben uns nur zu Weihnachten. Gerade vor dem Krieg ging ich mit meiner Schwester in ein Sanatorium in die Schweiz … sie ist dort an einer Lungenentzündung gestorben.«
Sie schwieg einen Augenblick, dann fügte sie hinzu:
»Erst vor einem Jahr bin ich nach England zurückg e kehrt.«
»Sie sagten, Sie könnten sehr bald eine reiche Frau we r den … wie bald?«
»Ich hörte von Beiles Krankenschwester, dass sich ihr Zustand rapide verschlechtere. Es kann also schon in ein paar Wochen der Fall sein.«
Wieder seufzte sie, diesmal weniger erinnerungsselig denn traurig.
»Das Geld wird mir jetzt nicht mehr viel bedeuten. Ich habe genug für meine bescheidenen Bedürfnisse. Früher wäre es ein Vergnügen für mich gewesen, große Transa k tionen durchzuführen, aber jetzt … man wird alt. Aber Sie sehen doch ein, Herr Inspektor, dass, wenn Patrick und Julia mich aus finanziellen Gründen ermorden wollten, die beiden wahnsinnig wären, damit nicht noch einige Wochen zu warten?«
»Das schon, Miss Blacklock, aber was würde geschehen, wenn Sie vor Mrs Goedler stürben? Wer würde dann das Geld erben?«
»Das habe ich mir eigentlich nie überlegt … Pip und Emma, nehme ich an … «
Craddock starrte sie verblüfft an, und sie lächelte.
»Das klingt wohl verrückt? Ich glaube, wenn ich vor Belle stürbe, würden die legalen Nachkommen – oder wie der juristische Ausdruck lautet – von Sonja, Randalls ei n ziger Schwester, das Vermögen erben. Randall hatte sich mit seiner Schwester entzweit, weil sie einen Mann gehe i ratet hatte, den er für einen Gauner, für einen Lumpen hielt.«
»War er ein Gauner?«
»Oh ja, das kann man wohl sagen. Aber die Frauen w a ren vernarrt in ihn. Er war ein Grieche oder ein Rumäne oder so etwas Ähnliches … wie hieß er nur … Stamfordis, Dimitri Stamfordis.«
»Hat Goedler seine Schwester enterbt, als sie den Mann heiratete?«
»Sonja besaß selbst ein beträchtliches Vermögen. Aber ich glaube, dass er, als der Notar ihn drängte, einen Nacherben einzusetzen, falls ich vor Belle stürbe, wide r strebend Sonjas Nachkommen als Erben bestimmte, weil er einfach nicht wusste, wem er das Vermögen hinterla s sen sollte. Es lag ihm nicht, Wohltätigkeitsinstitutionen etwas zu vermachen.«
»Und die Schwester hatte Kinder aus ihrer Ehe?«
»Ja, Pip und Emma.«
Sie lachte.
»Das klingt komisch. Ich weiß nur, dass Sonja ein einz i ges Mal nach ihrer Hochzeit an Belle schrieb und sie bat, Randall auszurichten, dass sie überglücklich sei und ger a de Zwillinge bekommen habe, die sie Pip und Emma nenne. Soviel ich weiß, hat sie nie wieder geschrieben. Aber sicher wird Belle mehr wissen.«
Miss Blacklock war von ihrem Bericht offensichtlich amüsiert, aber der Inspektor blickte gar nicht amüsiert drein.
»Also es ist so«, sagte er, »dass es, wenn Sie neulich e r mordet worden wären, vermutlich wenigstens zwei Me n schen auf der Welt gäbe, die ein Riesenvermögen geerbt hätten. Sie
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