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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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müssen. Auch Mallory zog es also – wie sämtliche Mieter hier im Haus – zu Edith Candle. Die Sache war ihm nach wie vor ein Rätsel, mit dessen Lösung er es allerdings nicht besonders eilig hatte.
    »Sie kommt mir in dieser Wohnung wie eine Gefangene vor«, sagte Mallory.
    Er musterte anerkennend das Roastbeef auf Roggenbrot mit einer Garnitur aus knackigem Salat und Petersilie. »Ja, diesen Eindruck kann man durchaus bekommen.«
    Die Kaffeemaschine, in der Louis Markowitz herumspukte, mischte sich tröpfelnd und gurgelnd ins Gespräch.
    Vielleicht sollte er sich mit dem Rätsel Edith doch einmal näher beschäftigen. Mallory dachte erstaunlich eingleisig und war zur Zeit voll durch den Mord an Louis Markowitz in Anspruch genommen. Was sollte also diese Bemerkung? Wo war die Verbindung?
    »Weißt du, warum sie nie das Haus verläßt?« fragte sie jetzt.
    Müßiges Geschwätz lag Mallory nicht. Was sie sagte und fragte, führte immer gezielt auf einen bestimmten Punkt hin.
    Na schön – wenn er schon nichts aus ihren Antworten erfuhr, brachten ihn ja vielleicht ihre Fragen weiter.
    »Sie trauert noch um ihren Mann.« Jetzt hatte er das Rauchfleischbrot mit Senf und Mayonnaise entdeckt. Die Wahl fiel schwer.
    »Kein Mensch trauert dreißig Jahre lang, Charles.« Mallory verzog skeptisch einen Mundwinkel, und Louis’ Kaffeemaschine blubberte. »Allein das kann es nicht sein.« Sie stellte die Platte mit den Broten auf das karierte Tischtuch. »Vielleicht hat es ja etwas mit dem Unfall ihres Mannes zu tun …«
    »Hat sie dir davon erzählt?«
    »Setz dich.« Sie wies ihm einen Platz am Küchentisch an und wandte sich wieder der Kaffeemaschine zu.
    Charles Butler hatte schon oft mit ihr gegessen, aber noch nie in einer Küche. Louis Markowitz hatte sich gern in Küchen aufgehalten. Es redet sich dort lockerer, hatte er immer gesagt.
    Vielleicht, dachte Charles, hat die Pokerrunde mich auf eine falsche Spur gesetzt. Mallorys Verhalten wurde womöglich leichter vorhersehbar, wenn er sich auf das konzentrierte, was sie von Markowitz angenommen hatte.
    »Dreißig Jahre«, sagte Mallory. »Das ist ja wie Knast.«
    »Ja, es wirkt tatsächlich wie eine Buße.« Er griff nach einem Sandwich, aber plötzlich war ihm der Appetit vergangen. Buße … Warum war er auf diese Idee nicht schon eher gekommen? Verschwommene Erinnerungen drängten ans Licht. »Vielleicht fühlt sie sich verantwortlich für den Unfall.«
    »Weil -?« half Mallory nach.
    »Ich weiß es nicht genau. Ich war damals erst neun.«
    »Komm, du hast doch ein Gedächtnis wie ein Computer!«
    »Ein eidetisches Gedächtnis. Das ist etwas anderes. Ich kann dir ganze Kapitel aus Büchern vorlesen und dir sogar sagen, ob Kaffeeflecken auf einer bestimmten Seite waren, aber an Gespräche, die über meinen Kopf hinweg geführt wurden, als ich noch ein Kind war, erinnere ich mich nicht mehr.«
    »Es gibt bestimmt nicht viel, was du nicht mitgekriegt hast, Charles. Diese Gespräche, an die du dich nicht erinnerst … Sind die zu der Zeit geführt worden, als dein Onkel starb?«
    »Ich denke schon. Max hat die letzten drei Tage vor seinem Tod bei uns verbracht.«
    »Nur Max? Hatte er seine Frau verlassen?«
    »Ich … Also gut: Sie hatten sich gestritten. Wegen der neuen Nummer. Edith fand sie zu gefährlich. Ihr wäre es wohl am liebsten gewesen, wenn er die ganze Sache abgeblasen hätte, aber das brachte er nicht fertig. Ganz früher war immer er an erster Stelle genannt worden. Als Maximilian der Große. Später war er dann nur noch der Mann der berühmten Edith Candle. Seine genialen Illusionen, seine große Gabe waren irgendwie in Vergessenheit geraten.«
    »Diese Nummer sollte also sein Comeback sein. Er wollte es noch mal wissen …«
    »Ja. Er hatte sich etwas ganz Neues einfallen lassen. Ich weiß noch, wie wir zu viert, Max und meine Eltern und ich, am Tag nach der Premiere um den Tisch herumsaßen und die Besprechungen lasen.« Sein fotografisches Gedächtnis rief den Artikel auf, der ihn als Kind so beeindruckt hatte, daß er ihn noch nach dreißig Jahren deutlich vor Augen hatte. »Die New York Times hat ihn maestro genannt.« Jetzt bewegte er sich auf vertrautem Boden. Er las, als hielte er die Zeitung in der Hand: »Der Meister ist unvergleichlich. Und unverkennbar auf der Höhe seiner kreativen Kraft. Sein Stern ist wieder im Steigen begriffen.«
    Am nächsten Morgen, dem Tag nach dem Unglück, hatte, man ihm die Zeitungen vorenthalten.
    »Max konnte

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