Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
Vom Netzwerk:
von Investmentfonds und städtischen Anleihen bis zu Blue Chips. Zum Schluß kommt es zum großen Crash, und wir dürfen alle mit dem Blechnapf zur nächsten Suppenküche marschieren. Bei der großen Börsenkrise in den Achtzigern wurde das Vertrauen vieler Anleger schwer erschüttert, und das mit der Suppenküche war keine Utopie mehr.«
    »Viele Leute begreifen wahrscheinlich gar nicht, was für ein Unrecht es ist«, sagte Mallory betont beiläufig und trank einen Schluck Wein. »Wie ungesetzlich.«
    »Es dürfte sehr wenige Anleger geben, die ehrlichen Herzens behaupten können, sie wüßten nicht, daß und warum Insidergeschäfte unrecht sind.«
    »Gilt das auch für nette alte Damen?« fragte Mallory lächelnd und sah mit verengten Augen zu Charles hinüber.
    »Besonders für nette alte Damen«, bestätigte Gaynor. »Sie kontrollieren den Löwenanteil der großen bis mittleren Anlegervermögen.«
    Charles wußte natürlich, daß dies alles gezielt an seine Adresse ging. In Mallorys Augen hatte Edith Candle – so sympathisch sie ihr persönlich auch sein mochte – gegen das Gesetz verstoßen, und Mallory stand auf der Seite des Gesetzes. Demnach waren ihre Moralbegriffe komplizierter, als die Pokerrunde glaubte. Warum hatte er das nicht schon längst erkannt? Sie hätte sich mit ihrem Computerfachwissen ein Imperium zusammenstehlen können, aber sie hatte ihre Raubzüge auf das beschränkt, was Markowitz brauchte, um dem Gesetz zu seinem Recht zu verhelfen. Sie mochte im Grunde ihres Herzens eine unverbesserliche Diebin sein, zog aber dabei strenge Grenzen. Grenzen, die Markowitz ihr gezeigt hatte. Sie hatte von ihm viel mehr angenommen als von Helen.
    Charles nickte Mallory zu. Es war ein Versprechen, mit Edith über ihre Börsenspekulationen zu reden und auch ihr Grenzen aufzuzeigen.
    Nachdem Gaynor sich bedankt und verabschiedet hatte und das Geschirr abgeräumt war, machte Mallory es sich ohne Schuhe auf der Couch bequem. Als Charles mit Kaffee und Likör auf einem Tablett an den Couchtisch trat, stand dort eine Schachtel in rotem Geschenkpapier. Erst jetzt fiel ihm ein, daß heute sein vierzigster Geburtstag war.
    Er setzte sich neben sie und riß das rote Papier ab. Auf der Schachtel stand der Name eines Herstellers von Espressomaschinen, aber aus dem, was unter dem Deckel war, hätte man nie im Leben eine gute Tasse Espresso machen können. Er wußte nicht recht, was er sagen sollte, und sprach deshalb aus, was ohnehin offensichtlich war: »Eine Kristallkugel …«
    »Eine Huldigung, wenn du so willst. Du bist der einzige Mann, der mich je beeindruckt hat. Alle anderen öden mich an.« Charles hielt die Kugel ans Licht, sah seine Nase in der dunklen Spiegelung noch länger werden und stellte sein Geburtstagsgeschenk auf den Couchtisch zurück.
    Ob sie wohl wußte, wie sehr er sich darüber freute? Jede Geste der Freundschaft signalisierte ihm, daß er doch nicht ganz so wunderlich, kein völliger Freak und nicht ganz so fremd auf dieser Erde war. Konnte er sich mehr wünschen? Allenfalls, daß Mallory ein bißchen weniger schön oder seine Nase ihm nicht immer drei Minuten voraus wäre.
    »Gefällt sie dir?«
    »Sehr. Kein Briefbeschwerer?«
    »Nein, ganz echt. Direkt aus dem Asservatenraum. Kann natürlich sein, daß die Landfahrer, von denen wir sie haben, die Wahrsagerkugel als Briefbeschwerer benutzt haben. Die sind nämlich von der Hellseherei auf Computerbetrug umgestiegen.«
    Sie schenkte Kaffee und Likör ein und hielt einen Löffel in der Schwebe. Zucker? Nein? Und dann die beiläufige Frage, was er von Gaynor hielt.
    »Sehr sympathisch.« Daß Gaynor seinerseits Mallory sehr viel mehr als nur sympathisch fand, bedurfte keiner Erwähnung. »Was weißt du über ihn?«
    Die typische Frage besorgter Väter. Louis hatte mal zu ihm gesagt, er würde irgendwann für ein paar Minuten den Stecker von Mallorys Computer ziehen müssen, damit sie einen jungen Mann kennenlernen und heiraten konnte, solange er noch nicht zu alt und klapprig war, um sich an seinen Enkelkindern zu freuen. Daß ein paar Minuten ausreichen würden, davon war Louis überzeugt gewesen. Er wußte ja, daß sie seine Mitarbeiter in noch kürzerer Zeit geschafft hatte.
    »Ich habe ellenlange Ausdrucke über ihn«, sagte sie. »Seine Eltern sind tot. Er hat ein Sommerhaus auf Fire Island, spekuliert ein bißchen und hat gerade einige hundert Millionen geerbt. Aber auch vor dem Tod seiner Tante hat er nicht am Hungertuch genagt. Er hat

Weitere Kostenlose Bücher