Ein Ort zum sterben
sie nach jeder Kontaktaufnahme die Mailbox wechseln. Demnach haben sie zumindest einen Klassespieler im Team.«
Riker sah auf ihren Bildschirm. »Okay, und was tut sich hier?«
»Redwing hat sich in ein elektronisches Schwarzes Brett eingeklinkt. Jeder Telefonteilnehmer kann dort eine Nachricht hinterlassen. Redwing ruft gerade eine ab. Sie ist kodiert, aber kinderleicht zu knacken.«
Riker sah erneut in das Zimmer des Alten hinüber. Wenn Redwing auch so wohnte, konnte bei ihrer Tätigkeit nicht viel herausspringen. Nun war zwar die Einrichtung einer einzigen Wohnung ebenso wenig ein sicheres Zeichen für eine schlechte Gegend wie die Ratten, die um die Mülltonnen herumtanzten – die gab es überall in New York –, aber die Kondome, die auf dem Gehsteig herumlagen, verrieten den Straßenstrich. Schon im nächsten Block konnten Yuppies in feinem Tuch wohnen. So war diese Stadt – an jeder Ecke anders. Eine Querstraße weiter war Spielzeug in den Schaufenstern ausgestellt, hier lockten Pornoläden und Peepshows.
»Sehr schön«, sagte Mallory zufrieden. »Redwing ruft keine Hintergrundinformationen über Klienten ab. Sie sammelt Angaben über Fusionen und Übernahmen. Wenn die nicht öffentlich sind, wenn die Börsenaufsicht sie nicht in den Akten hat, handelt es sich eindeutig um Insidergeschäfte.«
»Ich glaube, damit komme ich ohne Übersetzung nicht klar. Die Börse ist irgendwie nicht mein Ding.«
»Deine Nichte arbeitet doch in einer Kanzlei, nicht?«
»Gloria? Ja, als Anwaltsgehilfin.«
»Nehmen wir mal an, Gloria wird von ihrem Chef angewiesen, einen Fusionsvertrag aufzusetzen. Noch ist der Vorgang bei der Börsenaufsicht nicht eingereicht. Weil sie weiß, daß die Aktien steigen, sobald die Öffentlichkeit von der Fusion erfährt, gibt Gloria ihrer besten Freundin einen diskreten Tip, die Freundin verdient sich mit der Spekulation eine goldene Nase und zahlt Gloria ein Erfolgshonorar, und die Aktionäre sehen ganz schön alt aus, weil sie Glorias Freundin ihre Anteile für ein Butterbrot überlassen haben. Das FBI hat so was gar nicht gern.«
»So ähnlich wie Betrug beim Pferderennen, ja?«
»Genau. Diese Zahlen und Buchstaben hier …«, sie deutete auf die erste Spalte des Bildschirmtextes, »… sind die aktuellen Börsennotierungen bestimmter Aktien. Die Zahlen dahinter sind Kauforders. Hier geht’s nicht um eine primitive spiritistische Betrugsnummer. Für eine Person ist die Sache viel zu groß. Mit diesen Transaktionen kann man eine ganze Bank in Schwung halten.«
»Und wenn wir ihren Computer beschlagnahmen lassen?«
»Das nützt uns gar nichts, solange wir nicht wissen, woher sie ihre Weisungen bekommt. Rechtlich kann ihr keiner was anhaben. Bulletin Boards, die elektronischen Schwarzen Bretter, sind für jeden da – genau wie Zeitungen. Ein schlauer Dreh, den sich bestimmt nicht Redwing hat einfallen lassen. Wir suchen nach einer Person mit Köpfchen, Riker, die was vom Börsengeschäft versteht und Organisationstalent hat.«
»Coffey wird sich freuen.«
»Sag ihm, es ist ein Geschenk von seiner Anfängerin. Und was hast du für mich?«
»Ich hab alles ausgepackt, was ich weiß«, versicherte Riker wahrheitsgemäß. Mallory wandte sich enttäuscht ab.
Margot hielt das Springmesser in der Hand, während sie das Telefon läuten ließ. Zwanzigmal, dreißigmal. Irgendwann würde er sich schon melden. Sie hatte das Messer sorgfältig und immer wieder sauber gemacht, und die Klinge warf funkelnde Lichtreflexe an die Wände. Sie wartete weiter. Das konnte sie gut. Jahrelang hatte sie auf den Mann mit dem tanzenden Messer gewartet.
Das Springmesser würde sie behalten. Sie hatte es auf dem Herd ausgekocht, die Blutspuren waren weg, da konnte nichts passieren. Vielleicht brachte es ihr ja noch Glück. Daß sie es in der Bank verloren hatte, war zwar eher Pech gewesen, aber zu der Zeit hatte sie ja auch den Mann aus ihrem Albtraum noch nicht zur Strecke gebracht. Beim nächsten Mal lief es vielleicht anders. Was sollte sie wegen der Bank unternehmen? Henry wußte all so was, aber noch immer hob am anderen Ende der Leitung niemand ab.
Vielleicht konnte sein Rechtsanwalt irgendwie erreichen, daß sie ihren Vorschuß bekam. Vielleicht ging sie aber auch mit dem Messer in der Tasche selber noch mal hin. Der Tag hatte sich bisher günstig angelassen, ein Tourist hatte ihr einen Dollarschein in den Becher gesteckt, jetzt reichte es für ein Stück Pizza und eine U-Bahn-Münze. Erstaunlich,
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