Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Titel: Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
auch die Drohung anklingen lassen, dass mit der Enttarnung des Betreffenden sein Ruf nicht wiedergutzumachenden Schaden zu erleiden drohte und mit ihm womöglich die Ehre der Regierung.
    Rathbone gestand sich ein, dass er darauf angewiesen war, vernünftigen Zweifel zu begründen. Der bestand in der Möglichkeit, dass es irgendeine andere Lösung geben konnte, egal, wie vage, deren Existenz sich beweisen ließe. Gelang ihm das, musste er nur noch diesen Nachmittag und den morgigen Tag überstehen, dann würde ihm Weihnachten eine kurze Atempause bis Freitag verschaffen. Und danach kam das Wochenende. Zugleich wusste er aber auch, dass er sich bei niemandem beliebt machen würde. Er würde den Leuten das Fest verderben, wenn sie seinetwegen gleich nach Weihnachten erneut ihre lästige Pflicht erfüllen mussten. Gerne hätte er darauf verzichtet, hätte er eine andere Wahl gehabt.
    Sein erster Zeuge in der Nachmittagssitzung war der Ladeninhaber, der Dinahs Besuch in der Copenhagen Place und ihre extremen Emotionen derart lebhaft geschildert hatte, dass die meisten seiner Kunden jetzt das Gefühl hatten, selbst dabei gewesen zu sein und die Frau auf Anhieb erkennen zu können.
    Rathbone wusste freilich, dass die eigenen Gedanken das Auge durchaus täuschen konnten. Insofern hoffte er, dass genau das auch bei ihrem Besuch in Jenkins’ Laden der Fall gewesen war und dessen Erinnerungen statt einem echten Erlebnis eher dem Wissen um die späteren Ereignisse zu verdanken waren. Es stellte natürlich ein gewisses Risiko dar, diesen Mann jetzt in den Zeugenstand zu rufen, zumal nach ihm Coniston die Möglichkeit bekommen würde, ihn auszufragen, doch inzwischen hatte Rathbone ohnehin nichts mehr zu verlieren.
    Aus der Sicherheit seines Ladens und des vertrauten Gewerbes gerissen, wirkte Mr Jenkins äußerst gewöhnlich, als er sich im Zeugenstand postierte. So, wie er sich an das Geländer klammerte, konnte man fast meinen, er kämpfte bei stürmischer See auf der heftig schwankenden Kommandobrücke seines Schiffs um Halt. War das die nur zu verständliche Nervosität eines Mannes, der sich in einer höchst ungewohnten Umgebung befand und obendrein genau wusste, dass von seinem Wort das Leben einer Frau abhing? Oder plante er aus Furcht vor dem Zorn ihrer Gegner, das, was er Rathbone angekündigt hatte, zurückzunehmen?
    Zuallererst musste Rathbone ihn beruhigen. Er trat vor, bis er dem Zeugenstand so nahe war, dass er darauf verzichten konnte, mit erhobener Stimme zu sprechen.
    »Guten Tag, Mr Jenkins«, begann er. »Vielen Dank dafür, dass Sie uns Ihre Zeit opfern. Wir sind uns dessen bewusst, dass Sie ein Geschäft zu führen haben und Ihre Kunden außer am Sonntag jeden Tag Ihre Dienste in Anspruch nehmen. Darum werde ich Sie nicht lange von der Arbeit abhalten. Sie haben einen Gemischtwarenladen in der Copenhagen Place, Limehouse, ist das richtig?«
    Jenkins räusperte sich. »Jawohl, Sir.«
    »Sind die meisten Ihrer Kunden Leute aus dem Viertel, die in einem Umkreis von … sagen wir, einer halben Meile um Ihr Geschäft leben?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Weil die Menschen Lebensmittel aller Arten benötigen und sie verständlicherweise nicht weiter als unbedingt nötig tragen möchten?«
    Coniston rutschte ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her.
    Pendock zog ein verdrießliches Gesicht.
    Nur die Geschworenen lauschten aufmerksam. Sie glaubten, gleich würde etwas Wichtiges und vielleicht Brisantes kommen. Schließlich war Rathbone berühmt und weithin gefürchtet. Und wenn sie das nicht vor dem Prozess gewusst hatten, so war es ihnen spätestens jetzt klar.
    Jenkins nickte. »O ja, Sir. Ich kenn sie ganz gut. Ich hab die Sachen, die sie brauchen, alle im Laden. Sie müssen mich gar nich’ fragen.«
    »Ein Fremder würde Ihnen also sofort auffallen?«, fragte Rathbone lächelnd. »Jemand, der nicht im Viertel lebt und vielleicht Wünsche hat, die Ihnen neu sind?«
    Jenkins schluckte. Er wusste um die Bedeutung dieser Frage. »Ich denke, ja.« Schon war er sich weniger sicher. Seine Worte verrieten Unschlüssigkeit.
    »Eine gut gekleidete Frau, die nicht aus Limehouse stammte, die noch nie bei Ihnen Lebensmittel gekauft hatte und weder Tasche noch Korb bei sich trug?«, half ihm Rathbone.
    Jenkins starrte ihn wortlos an.
    Doch Rathbone brauchte eindeutige Antworten. Freilich durfte er die Fragen nicht noch einmal wiederholen oder dem Zeugen Antworten in den Mund legen, sonst würden ihm die Geschworenen die Verzweiflung

Weitere Kostenlose Bücher