Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
für dieses schreckliche Gewerbe zur Verantwortung zu ziehen? Verriet er Ihnen seinen Namen?«
»Nein.«
»Danke, Miss Nisbet. Mehr habe ich Sie nicht zu fragen.«
Rathbone stand bereits wieder. »Darf ich eine Ergänzung anbringen, Mylord?«
»Selbstverständlich.«
Rathbone hob den Kopf zu Agatha. »Miss Nisbet, gelangten Sie zu dem Eindruck, dass Dr. Lambourn von dem, was Sie ihm berichteten, zutiefst verstört war?«
»Natürlich war er das!«, erwiderte sie in schneidendem Ton.
»Weil Menschen litten, weil es ein Verbrechen war?«
»Also, ich glaube, es lag daran, dass er schon eine ziemlich genaue Vorstellung davon hatte, wer es war«, antwortete sie langsam und deutlich. »Nur hat er mir nix davon gesagt.«
Sofort breitete sich Unruhe im Saal aus. Die Zuschauer waren verblüfft und entsetzt. Rathbone ließ den Blick über die Ränge schweifen. Just in diesem Moment flog die Tür auf, und Hester kam herein. Ihre Blicke begegneten sich, und sie nickte ihm fast unmerklich zu. Erleichterung durchflutete Rathbone. Er wandte sich wieder zum Richter um, auf den Lippen immer noch ein Lächeln.
»Ich würde gern Dr. Alvar Doulting aufrufen, Mylord.«
Pendock spähte auf die Wanduhr am anderen Ende des Saals. »Na gut. Gestattet.«
Alvar Doulting schlurfte den Gang zwischen den Sitzreihen hinunter und überquerte die freie Fläche. Das Erklimmen der Treppe zum Zeugenstand bereitete ihm erkennbar Mühe. Als er oben anlangte und sich zum Saal umdrehte, fand Rathbone mit einem Schlag all das bestätigt, was Agatha Nisbet über die Hölle auf Erden gesagt hatte. Doulting sah aus wie ein zum Leben erwachter Alptraum. Seine Haut war grau und glänzte vor Schweiß. Obwohl er sich ans Geländer klammerte, zitterte er am ganzen Leib. In seinem Gesicht, das derart eingefallen war, dass die Haut sich über die Knochen spannte, zuckte ein Muskel.
Rathbone empfand ein brennendes Schuldgefühl, weil er diesen Mann hierhergebeten hatte.
Doulting leistete einen Eid auf seinen Namen und seine beruflichen Befähigungsnachweise, welche beeindruckend waren. In früheren Jahren hatte er alle Voraussetzungen besessen, ein großer Arzt zu werden. Und gerade deswegen wirkte der Anblick des Mannes, der jetzt vor ihnen stand, umso erschreckender.
Auf der Grundlage dessen, was er von Agatha erfahren hatte, begann Rathbone die Vernehmung. Dabei trieb ihn die Sorge an, dass Doulting vielleicht nicht durchhalten würde, bis das Wichtigste gesagt war. Sollten ihn die von Winfarthing beschriebenen Entzugserscheinungen wie Krämpfe, Durchfall oder Übelkeit befallen, würden sie die Vernehmung abbrechen müssen, egal, wie bedeutsam seine Angaben sein mochten. Doch obwohl er bereit war, im Zweifelsfall dem Wohlergehen des Zeugen Vorrang einzuräumen, kam Rathbone sich brutal vor.
»Danke, Mr Doulting.« Er seufzte in aufrichtiger Erleichterung. »Ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind, obwohl es Ihnen sichtlich nicht gut geht. Ich werde mich so kurz wie möglich fassen. Sprachen Sie Anfang Oktober, kurz vor seinem Tod, mit Dr. Joel Lambourn?«
»O ja.« Trotz seiner schlechten Verfassung sprach Doulting mit fester Stimme.
»Erkundigte er sich im Rahmen seiner Untersuchung zu dem vom Parlament ins Auge gefassten Arzneimittelgesetz nach dem Verkauf und Gebrauch von Opium?«
»Ja.«
»Was konnten Sie ihm, wenn überhaupt, sagen, das mehr umfasste als die Gefahr der Überdosierung als Folge von ungenügender Beschriftung?«
Doulting klammerte sich noch fester an das Geländer und holte tief Luft. »Ich habe ihm von der Linderung grässlicher Schmerzen erzählt, die das Opium verschafft, wenn es direkt in die Blutbahn verabreicht wird – was mit einer kürzlich erfundenen Hohlnadel möglich ist, die man nur an einer Spritze anzubringen braucht. Ferner habe ich ihm erklärt, dass bei der neuen Technik die Gefahr der Suchtauslösung um ein Vielfaches größer ist. Oft ist es eine Frage von wenigen Tagen, bis ein Mensch davon abhängig wird und nicht mehr in der Lage ist, damit aufzuhören. Dann beherrscht das Opium sein Leben. Die Hölle, die ausbricht, wenn seine Wirkung aufhört, ist fast genauso schlimm wie der Schmerz, von dem es ihn befreit hat.«
Die nächste Frage musste Rathbone gezwungenermaßen stellen, obwohl sich alles in ihm dagegen sträubte.
»Und woher wissen Sie das, Mr Doulting?«
»Weil ich selbst süchtig bin. Man verabreichte mir Opium mit den besten Absichten, als mir bei einem Unfall das Becken zertrümmert
Weitere Kostenlose Bücher