Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
bange fragte, ob er wirklich recht hatte und ob es ihm morgen gelingen würde, seinen Plan in die Tat umzusetzen.
24
Rathbone schlief schlecht. Zu vieles jagte ihm durch den Kopf, zu viele Eventualitäten, die einen Erfolg – oder das völlige Scheitern – bedingen konnten. Der Plan war gefasst, nun hing alles von diesem seinem letzten großen Wagnis ab. Er versuchte, alles durchzuspielen, jede Katastrophe, die sich vielleicht noch abwenden oder sogar zum Guten wenden ließe.
Irgendwann verfiel er in einen unruhigen, immer wieder unterbrochenen Schlaf. Wenn er verlor, wurde Dinah gehängt. Aber wie der Prozess auch endete, was hatte er, Rathbone, sich selbst angetan, als er die Fotografie benutzt hatte, um Pendock zu Entscheidungen zu zwingen, die der Richter sonst nicht getroffen hätte? Womit ließ sich das rechtfertigen?
Würde ihm Pendock je verzeihen? Wenn er selbst seiner Sache absolut sicher wäre, würde ihn das nicht kümmern. Aber wie konnte er diesbezüglich Gewissheit erlangen?
Stand für ihn Dinahs Unschuld wirklich fest? Woran lag es eigentlich, dass er bereit war, sie als Frau zu betrachten, die buchstäblich alles aufs Spiel setzte, um den Namen ihres toten Mannes zu retten? Wollte er das so sehen, einfach weil er es nötig hatte zu glauben, dass jemand eine solche Loyalität aufbrachte? Und vermochte das nach dem bitteren Ende seiner eigenen Ehe seinen Schmerz zu lindern?
Er wachte spät auf und fuhr in panischem Schrecken hoch. Was, wenn er das Old Bailey nicht rechtzeitig erreichte? Der Tag war klirrend kalt, der Himmel dunkel, und der Ostwind, der Eisregen vor sich hertrieb, verhieß noch Schlimmeres. Auf den spiegelglatten Bürgersteigen war es entsprechend schwierig, einen Sturz zu vermeiden.
Sein erster Zeuge war Runcorn, der schon auf ihn gewartet hatte, als er durch die Vorhalle zu seinen Gemächern gehastet war, um Robe und Perücke zu holen. Nie hatte er es für möglich gehalten, dass er Runcorns Anwesenheit je als beruhigend empfinden würde. Doch heute war das unbedingt der Fall. Der Mann strahlte etwas Solides aus, Gewissheit in all dem, woran er glaubte, ja, er ruhte geradezu in sich selbst.
»Alle ordnungsgemäß erschienen, Sir Oliver«, raunte Runcorn ihm zu.
Rathbone stutzte. Was für eine merkwürdige Art, von sich selbst zu sprechen, wenn es das war, was Runcorn meinte.
»Mr und Mrs Herne, Bawtry und der Polizeiarzt«, erklärte Runcorn mit gesenkter Stimme. »Und Mrs Monk sagt, dass sie alles versuchen wird, um Dr. Doulting noch einmal zu holen. Es kann aber sein, dass es dem armen Kerl heute einfach zu schlecht geht.«
Rathbone holte tief Luft und stieß sie mit einem Stoßseufzer der Erleichterung wieder aus. »Danke.«
»Außerdem ist ein gewisser Mr Wilkie Collins da«, berichtete Runcorn weiter. »Hat mit dem Arzneimittelgesetz zu tun. Sagt, dass er dafür ist. Ich soll Ihnen ausrichten, dass er Joel Lambourn nicht vergessen wird. Ich schätze, er ist Schriftsteller oder so etwas Ähnliches.«
Rathbone lächelte. »Das ist er allerdings. Bitte grüßen Sie ihn von mir, Mr Runcorn. Wenn ich den heutigen Tag überlebe, lade ich ihn in das beste Restaurant der Stadt ein.«
Runcorn erwiderte das Lächeln. »Das werde ich, Sir.«
Eine halbe Stunde später befand Runcorn sich im Zeugenstand, und Rathbone musste zu ihm aufsehen. Im Saal herrschte Stille, die Geschworenen saßen regungslos auf ihren Stühlen. Auch einige von ihnen machten einen übernächtigten Eindruck.
Pendock auf seinem hohen Richterstuhl wirkte um Jahrzehnte gealtert. Eigentlich wollte Rathbone jeden Blickkontakt mit ihm vermeiden, aber das wäre töricht und grob unhöflich gewesen. Ihm war eindringlich bewusst, dass Pendock, hätte er ihn nicht damit konfrontiert, womöglich ohne Wissen von dem abscheulichen Verhalten seines Sohns gestorben wäre. An dieser Bürde würde er schwer zu tragen haben, egal, wie der Prozess heute ausging.
Coniston spähte angespannt erst in die eine Richtung, dann in die andere. Selbst den Geschworenen musste aufgefallen sein, dass von der Sicherheit, die er noch gestern Vormittag zur Schau gestellt hatte, nichts mehr übrig war.
Rathbone räusperte sich, hüstelte und räusperte sich erneut.
»Mr Runcorn, im Licht neuer Erkenntnisse und gewisser Fakten, die noch unklar wirken, muss ich noch mal zu Ihrer ersten Aussage zu Joel Lambourns Tod zurückkehren.«
Coniston war schon halb aufgestanden, doch Pendock kam ihm zuvor.
»Ich sehe, dass Sie Einspruch
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