Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
ein äußerst bescheidenes, zurückgezogenes Leben in der Copenhagen Place, einer Straße in Limehouse, gleich hinter der Britannia Bridge.«
»Klingt eher nach einer Mätresse als nach einer Prostituierten«, bemerkte Rathbone. »Ist es die Ehefrau, die Sie verhaftet haben?« Das schien der naheliegendste Schluss zu sein.
»Seine Witwe«, korrigierte Monk ihn.
Das verblüffte Rathbone. »Hat die Tote den Ehemann umgebracht?«
»Was hätte sie davon gehabt? Nach seinem Tod war sie mittellos.«
»Ein Streit?«, regte Rathbone an. »Hatte sie etwas Besseres in Aussicht, und er ließ sie nicht gehen? Wer weiß das schon? Starb er eines natürlichen Todes?«
»Nein. Selbstmord – anscheinend.«
Rathbone beugte sich etwas weiter vor; sein Interesse war eindeutig geweckt. »Anscheinend? Sie haben Zweifel daran? Glauben Sie, dass seine Frau ihn umgebracht hat?«
»Nein. Sie betete ihn an, und jetzt ist sie bis auf das, was er ihr hinterlassen hat, ohne Einkünfte. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie viel ihr geblieben ist, aber es ist vermutlich nicht unerheblich.« Monk zögerte. »Eigentlich ist die Sache noch viel verwickelter. Ich habe nicht den Schimmer einer Ahnung, wie es ihm in nächster Zeit ergangen wäre. Er war nämlich beruflich einigermaßen in Ungnade gefallen. Seine Zukunftsaussichten hatten sich wohl verschlechtert. Andererseits war er entschlossen, sich zu wehren – laut seiner Frau.«
Rathbone war fasziniert. Eine Geschichte voller Leidenschaft, Gewalt und Widersprüche.
»Monk, hier fehlt etwas, ein entscheidendes Element, das Sie mir vorenthalten. Hören Sie auf, mir etwas vorzuspielen, und rücken Sie mit der ganzen Geschichte heraus!«
»Bei dem Mann handelt es sich um Joel Lambourn«, antwortete Monk.
Rathbone verschlug es die Sprache. Er kannte den Namen. Dieser Mann hatte in hohem Ansehen gestanden. Mehr als einmal war er als Experte vor Gericht geladen worden, um ein Gutachten bezüglich bestimmter medizinischer Sachverhalte abzugeben. Rathbone sah ihn förmlich vor sich: ernst, höflich, aber mit der Autorität des Fachmannes auftretend, die sich auch nicht durch ein scharfes Kreuzverhör erschüttern ließ.
» Der Joel Lambourn?«, fragte er in plötzlicher tiefer Trauer.
»Ich glaube nicht, dass es zwei gibt.« Monk seufzte. »Es sieht ganz so aus, als hätte seine Frau, Dinah, Zenia Gadney aus Rache für deren Rolle bei Lambourns Selbstmord umgebracht. Dinah ist davon überzeugt, dass Lambourns Studie absolut korrekt durchgeführt wurde und frei von fachlichen Fehlern war. Außerdem hat sie …« Er unterbrach sich abrupt. »Es wäre besser, Sie sprächen mit ihr persönlich, als sich von mir aus zweiter Hand darüber informieren zu lassen, was sie gesagt hat und welche Unstimmigkeiten dabei aufgetreten sind.«
Rathbone lehnte sich in seinem Stuhl zurück und überlegte. Dabei war er sich sehr wohl bewusst, dass die Sache für Monk ein dringendes persönliches Anliegen war und dieser ihn aufmerksam beobachtete.
»Warum ist Ihnen das derart wichtig, dass Sie so spät am Abend noch zu mir kommen, statt es morgen bei mir in der Kanzlei zu besprechen«, fragte er. »Was ist es, das Sie so sehr an diesem Fall fesselt? Ist es Mitleid für eine Witwe, die betrogen und beraubt worden ist und jetzt auf den Prozess und mit ziemlicher Sicherheit auf den Henker wartet? Ist sie attraktiv? Tapfer? Und das sind keine müßigen Fragen. Himmelherrgott, sagen Sie mir die Wahrheit!«
»Ja, sie ist attraktiv«, antwortete Monk mit einem traurigen Lächeln. »Aber die Wahrheit ist wohl, dass ich mir nicht sicher bin, ob sie schuldig ist. Die Indizien belasten sie sehr, und bisher haben wir keine andere verdächtige Person ermittelt, nicht einmal irgendwelche Spuren. In den Akten sind wir auf kein vergleichbares Verbrechen gestoßen, egal, ob aufgeklärt oder ungeklärt. Limehouse ist ganz gewiss kein Viertel für feine Leute, aber Zenia Gadney hat dort jahrelang gelebt, ohne dass ihr etwas zugestoßen wäre.«
»Jahrelang?«
»Mindestens fünfzehn oder sechzehn Jahre.«
»Ausgehalten von Joel Lambourn?« Rathbone spürte jetzt brennendes Interesse. War dieser Fall gar nicht so banal oder schmutzig, wie er zunächst vermutet hatte? »Das ist viel Geld. Wusste seine Frau Bescheid? Ich meine, Sie gehen ganz klar davon aus, dass sie am Ende im Bilde war, aber wann kam sie dahinter?«
»Ihre Geschichte ist widersprüchlich«, erwiderte Monk. »Erst leugnete sie, etwas gewusst zu haben, dann
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