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Ein plötzlicher Todesfall

Ein plötzlicher Todesfall

Titel: Ein plötzlicher Todesfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne K. Rowling
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Pagford bringen würde. Tessa beobachtete Fats im Rückspiegel. Er hatte sich hingelümmelt und schaute aus dem Fenster, als wären seine Eltern zwei Leute, die ihn beim Trampen mitgenommen hatten, mit ihm nur durch Zufall und räumliche Nähe verbunden.
    Colin wartete, bis sie die Umgehungsstraße erreicht hatten, dann sagte er: »Wo warst du, als du heute Nachmittag im Computerkurs sein solltest?«
    Tessa konnte einem weiteren Blick in den Spiegel nicht widerstehen. Sie sah ihren Sohn gähnen. Manchmal fragte sich Tessa – obwohl sie es gegenüber Colin endlos abstritt –, ob Fats tatsächlich einen schmutzigen, persönlichen Krieg gegen seinen Vater führte, mit der gesamten Schule als Publikum. Sie wusste Dinge über ihren Sohn, die sie nie erfahren hätte, wenn sie nicht als Beratungslehrerin arbeiten würde. Die Schüler erzählten sie ihr, manchmal voller Unschuld, manchmal mit Hintergedanken.
    Miss, finden Sie’s schlimm, dass Fats raucht? Darf er das auch zu Hause?
    Sie verschloss diese kleine Sammlung illegalen, unfreiwillig erworbenen Beuteguts in sich und machte weder ihren Mann noch ihren Sohn darauf aufmerksam, obwohl es an ihr zerrte, sie belastete.
    Â»Bin spazieren gegangen«, sagte Fats ruhig. »Dachte, ich vertret mir mal die Beine.«
    Colin drehte sich auf dem Sitz, um Fats anzusehen, überdehnte den Sicherheitsgurt, während er brüllte, seine Bewegungen darüber hinaus durch den Mantel und die Aktentasche behindert. Wenn er die Kontrolle verlor, wurde Colins Stimme immer höher, bis er fast im Falsett schrie. Fats nahm alles schweigend hin, ein überhebliches Lächeln im Gesicht, bis sein Vater ihm Beschimpfungen ins Gesicht schrie, Beschimpfungen, die durch Colins angeborene Abneigung gegen das Fluchen, seine Gehemmtheit in diesen Dingen gedämpft wurden.
    Â»Du aufgeblasener, egoistischer kleiner … kleiner Scheißer«, schrie er, und Tessa, deren Augen so voller Tränen waren, dass sie die Straße kaum noch erkennen konnte, war überzeugt, dass Fats am nächsten Morgen Andrew Price eine Neuauflage von Colins Falsettfluchen liefern würde.
    Fats macht Pingels Gang toll nach, Miss, haben Sie das gesehen?
    Â»Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden? Wie kannst du es wagen, den Unterricht zu schwänzen?«
    Colin brüllte und tobte, und Tessa musste die Tränen wegblinzeln, als sie die Abzweigung nach Pagford nahm und über den Marktplatz fuhr, vorbei an Mollison & Lowe, dem Kriegerdenkmal und dem Black Canon; bei St. Michael and All Saints bog sie links in die Church Row und schließlich in die Einfahrt ihres Hauses. Inzwischen hatte Colin sich heiser geschrien, und Tessas Wangen waren nass und salzig. Nachdem sie alle ausgestiegen waren, schloss Fats, dessen Ausdruck sich während der langen Schimpftirade seines Vaters um keinen Deut verändert hatte, mit seinem Schlüssel die Haustür auf und ging in gemütlichem Tempo weiter nach oben, ohne sich umzuschauen.
    Colin warf seine Aktentasche im dunklen Flur auf den Boden und wirbelte zu Tessa herum. Das einzige Licht drang durch das Buntglasfenster über der Haustür, das seltsame Farben über seinen zornigen und kahl werdenden Schädel warf, blutrot und geisterhaft blau.
    Â»Siehst du?«, schrie er und wedelte mit seinen langen Armen. »Siehst du, womit ich’s hier zu tun habe?«
    Â»Ja«, sagte sie, zog eine Handvoll Papiertücher aus der Schachtel auf dem Flurtisch und putzte sich die Nase. »Ja, ich seh’s.«
    Â»Nicht ein einziger Gedanke daran, was wir durchmachen!« Colin begann zu schluchzen, tiefe, keuchende Schluchzer, wie ein Kind mit Krupp. Rasch legte Tessa ihre Arme um Colins Brust, etwas über der Taille, denn sie war klein und kam nicht höher hinauf. Er bückte sich, klammerte sich an sie. Sie spürte sein Zittern und das Heben und Senken seines Brustkorbes unter dem Mantel.
    Nach einigen Minuten löste sie sich sanft von ihm, führte ihn in die Küche und machte ihm eine Kanne Tee.
    Â»Ich bringe Mary einen Auflauf«, sagte sie, nachdem sie eine Weile bei ihm gesessen und seine Hand gestreichelt hatte. »Sie hat ihre halbe Familie da. Wir gehen dann früh zu Bett, wenn ich wiederkomme.«
    Er nickte und schniefte, und sie küsste ihn auf die Schläfe, bevor sie an den Gefrierschrank ging. Als sie mit der schweren Auflaufform zurückkam,

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