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Ein plötzlicher Todesfall

Ein plötzlicher Todesfall

Titel: Ein plötzlicher Todesfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne K. Rowling
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saß er am Tisch und hielt seinen Becher umklammert, die Augen geschlossen.
    Tessa stellte den in eine Plastiktüte verpackten Auflauf auf die Fliesen neben der Haustür. Sie zog die ausgebeulte grüne Strickweste über, die sie oft statt einer Jacke trug, schlüpfte aber nicht in die Schuhe, sondern ging auf Zehenspitzen die Treppe hinauf bis zum Absatz und dann, nun nicht mehr so sehr bemüht, leise zu sein, die zweite Treppe bis zum ausgebauten Speicher.
    Sie klopfte, gab Fats Zeit, alles wegzuklicken, was er sich gerade im Internet ansah, oder vielleicht die Zigaretten zu verstecken, nicht ahnend, dass sie davon wusste.
    Â»Ja?«
    Sie drückte die Tür auf. Ihr Sohn kauerte theatralisch über seine Schultasche gebeugt.
    Â»Musstest du ausgerechnet heute die Schule schwänzen?«
    Fats richtete sich auf, lang und drahtig. Er überragte seine Mutter.
    Â»Ich war da. Bin nur zu spät gekommen. Bennett hat mich nicht bemerkt. Der checkt einfach nichts.«
    Â»Stuart, bitte. Bitte .«
    Auch im Dienst wollte sie die Kinder manchmal anschreien. Sie wollte schreien: Du musst die Realität anderer akzeptieren. Du glaubst, Realität wäre Verhandlungssache, dass wir meinen, sie ist so, wie du es sagst. Du musst akzeptieren, dass wir genauso real sind wie du. Du musst akzeptieren, dass du nicht Gott bist.
    Â»Dein Vater ist sehr verstört, Stu. Wegen Barry. Kannst du das nicht verstehen?«
    Â»Ja«, sagte Fats.
    Â»Ich meine, das ist, als wäre dir Arf gestorben.«
    Er reagierte nicht, und auch sein Ausdruck änderte sich kaum, doch sie spürte seine Verachtung, seine Belustigung.
    Â»Ich weiß, du glaubst, ihr beide, Arf und du, würdet in einer anderen Sphäre leben als Menschen wie dein Vater und Barry –«
    Â»Nein«, sagte Fats, aber nur, wie sie wusste, um das Gespräch zu beenden.
    Â»Ich bringe Mary was zu essen rüber. Ich bitte dich, Stuart, reg deinen Vater nicht noch mehr auf, während ich fort bin. Bitte, Stu.«
    Â»Okay«, sagte er halb grinsend, halb schulterzuckend. Sie spürte, wie seine Aufmerksamkeit umgehend zu seinen eigenen Angelegenheiten zurückkehrte, noch bevor sie die Tür geschlossen hatte.
    VI
    Am Abend blies der tückische Wind die tief hängenden Wolken weg. Drei Häuser von dem der Walls entfernt, betrachtete Samantha Mollison ihr Profil in dem beleuchteten Frisiertischspiegel und fand die eingetretene Stille bedrückend.
    Die letzten beiden Tage waren enttäuschend gewesen. Sie hatte so gut wie nichts verkauft. Der Vertreter von Champêtre hatte sich als Mann mit Hängebacken, schlechten Manieren und einer Reisetasche voll hässlicher BHs herausgestellt. Anscheinend versprühte er seinen Charme nur bei den telefonischen Vorgesprächen, denn als sie ihn persönlich vor sich hatte, gab er sich geschäftsmäßig, behandelte sie von oben herab, kritisierte ihre Ware und drängte auf eine Bestellung. Sie hatte sich jemanden vorgestellt, der jünger, größer und anziehender war. So schnell wie möglich hatte sie ihn und seine grausigen Dessous aus dem Laden komplimentiert.
    Mittags hatte sie eine dieser Kondolenzkarten – »Mit tiefstem Mitgefühl« – für Mary Fairbrother gekauft, doch ihr fiel nichts ein, was sie schreiben konnte, denn nach der gemeinsamen Alptraumfahrt ins Krankenhaus schien eine simple Unterschrift nicht auszureichen. Sie hatten einander nie nahegestanden. In einem so kleinen Ort wie Pagford lief man sich zwar ständig über den Weg, aber Miles und sie hatten Barry und Mary eigentlich nicht gekannt . Man hätte höchstens sagen können, dass sie zu gegnerischen Lagern gehörten, bei den dauernden Zusammenstößen zwischen Howard und Barry über Fields. Wobei ihr, Samantha, das alles herzlich egal war. Sie stand über dieser kleinkarierten Lokalpolitik.
    Müde, verstimmt und aufgebläht, weil sie tagsüber zu viel genascht hatte, verabscheute sie die Aussicht, mit Miles zum Abendessen bei den Schwiegereltern gehen zu müssen. Während sie sich im Spiegel betrachtete, legte sie die Hände an ihre Wangen und schob die Haut sanft zu den Ohren zurück. Millimeterweise erschien eine jüngere Samantha. Sie drehte ihr Gesicht von einer Seite zur anderen und musterte diese straffe Maske. Besser, viel besser. Sie überlegte, was es wohl kosten, wie weh es tun und ob sie es wagen würde. Sie

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