Ein plötzlicher Todesfall
darauf, Krystal länger als zwei Nächte bei sich übernachten zu lassen. Nikki hatte ihr mal in ihrer typischen Aufrichtigkeit erzählt, ihre Mum sei damit einverstanden, wenn es nicht zu häufig vorkomme, aber Krystal müsse aufhören, sie als Absteige zu benutzen, vor allem aber dürfe sie nicht mehr nach Mitternacht auftauchen.
Terri war anscheinend froh, sie wieder zu Hause zu haben. Sie redete vom Besuch der neuen Sozialarbeiterin, und Krystal überlegte nervös, was die fremde Frau wohl vom Haus gehalten hatte, das in letzter Zeit noch tiefer als üblich unter den Schmutzpegelstand gefallen war. Am meisten Sorgen machte ihr, dass Robbie bei Kays Besuch zu Hause gewesen war, obwohl er in der Tagesstätte hätte sein sollen. Terris Versprechen, Robbie im Kindergarten zu lassen, mit dem er während seiner Zeit bei der Pflegemutter begonnen hatte, war die Hauptbedingung dafür gewesen, dass er vergangenes Jahr nach Hause zurückkehren durfte. Krystal war auÃerdem wütend, dass die Sozialarbeiterin Robbie mit der Windel erwischt hatte, nach all den Mühen, die Krystal darauf verwendet hatte, ihn zur Benutzung der Toilette zu überreden.
»Und was hat sie gesagt?«, wollte Krystal von Terri wissen.
»Dass sie wiederkommt.«
Krystal hatte ein mieses Gefühl dabei. Ihre frühere Sozialarbeiterin gab sich damit zufrieden, der Familie Weedon freie Hand zu lassen, ohne sich groà einzumischen. Sie war zerstreut und planlos, schrieb die Namen oft falsch, verwechselte die Lebensumstände mit denen anderer Schutzbefohlener und tauchte alle zwei Wochen offenbar nur auf, um nachzusehen, ob Robbie noch am Leben war.
Die neue Bedrohung verschlechterte Krystals Laune weiter. Wenn Terri nicht zugedröhnt war, lieà sie sich durch die Wut ihrer Tochter einschüchtern und von ihr herumkommandieren. Krystal nutzte ihre momentane Autorität sofort aus, befahl Terri, sich etwas Ordentliches anzuziehen, zwängte Robbie wieder in eine saubere Hose, schärfte ihm ein, dass er in diese nicht pinkeln dürfe, und marschierte mit ihm zur Tagesstätte. Als sie gehen wollte, brüllte er, woraufhin sie ihn zuerst anfauchte, doch als sie sich zu ihm hockte und ihm versprach, um eins wiederzukommen und ihn abzuholen, beruhigte er sich.
Dann schwänzte Krystal, obwohl Mittwoch der Schultag war, den sie am meisten mochte, da sie sowohl Sport als auch Beratung hatte. Sie machte sich daran, das Haus ein wenig zu putzen, verspritzte Desinfektionsmittel mit Fichtengeruch in der Küche, kehrte die alten Essensreste und Zigarettenkippen in Müllsäcke. Sie versteckte die Keksdose mit Terris Besteck und hievte die restlichen Computer (drei waren bereits abgeholt worden) in den Flurschrank.
Während sie Essensreste von den Tellern kratzte, war Krystal in Gedanken ständig mit der Rudermannschaft beschäftigt. Am folgenden Abend hätten sie Training gehabt, wenn Mr Fairbrother noch am Leben gewesen wäre. Meistens hatte er sie in seinem Minivan mitgenommen, weil sie keine andere Möglichkeit hatte, zum Kanal in Yarvil zu kommen. Seine Zwillingstöchter Niamh und Siobahn sowie Sukhvinder Jawanda fuhren auch mit. Während der Schulstunden hatte Krystal keinen regelmäÃigen Kontakt mit den drei Mädchen, doch seitdem sie eine Mannschaft geworden waren, hatten sie immer »Alles klar?« gesagt, wenn sie sich in den Fluren begegnet waren. Krystal hatte erwartet, dass die anderen sie herablassend behandeln würden, aber sie waren ganz okay, wenn man sie erst mal besser kannte. Sie lachten über Krystals Witze. Sie hatten einige ihrer Lieblingssprüche übernommen. Krystal war, auf gewisse Weise, die Mannschaftsführerin.
Niemand aus Krystals Familie hatte je ein Auto besessen. Wenn sie sich konzentrierte, konnte sie den Innenraum des Minivans riechen, trotz des Gestanks in Terris Küche. Sie mochte den warmen Geruch nach Plastik. Nie wieder würde sie in diesem Auto sitzen. Sie hatten auch Fahrten in einem geliehenen Minibus unternommen, in den Mr Fairbrother die ganze Mannschaft gepackt hatte, und manchmal hatten sie übernachtet, wenn sie gegen die Mannschaften aus weiter entfernten Schulen angetreten waren. Das Team hatte hinten im Bus Rhiannas »Umbrella« gesungen, das war zu ihrem Glücksbringer geworden, ihrer Erkennungsmelodie, in der Krystal den Rap von Jay-Z übernommen hatte, als Solo am Anfang. Mr Fairbrother
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