Ein Prinz wie aus 1001 Nacht
natürlich nicht. Sie versuchte, mir mit der guten alten Stolpergeschichte zu kommen! Aber ich bin mir sicher, ihr Vater hat herausgefunden, was gesunde Farmmädchen so alles mit willigen Männern anstellen, wenn sie von der Leine gelassen sind!“ Pamela stieß ein schrilles Lachen aus. „Wahrscheinlich passt Ihnen diese Erklärung auch nicht, aber glauben Sie mir, es ist bei dieser Art Mädchen die nächstliegende. Und wer sollte sie auch dafür tadeln? So, wie ich das verstanden habe, durfte sie nie derartige Freiheiten genießen wie andere Mädchen ihres Alters. Das ist doch nicht normal.“
Als Lady Pamela endlich gegangen war, stieß Shahir seinen angehaltenen Atem mit einem hörbaren Zischen aus. Er musste sofort jemanden aus seinem Mitarbeiterstab bitten, mit der Haushälterin zu sprechen. Sie sollte mit Kirsten reden und tun, was nur möglich war, um ihr zu helfen. Kein Grund, sich persönlich einzumischen.
Ob es stimmte, dass Kirsten sich heimlich mit einem Mann traf? Shahir fühlte einen seltsamen Widerwillen in sich aufsteigen. Was wusste er eigentlich über Kirsten Ross? Um ihren guten Ruf zu schützen, hatte er sich bisher davon zurückgehalten, mit irgendjemandem über sie zu sprechen. Er war einfach davon ausgegangen, dass sie genauso unschuldig, sensibel und verletzlich war, wie sie nach außen hin wirkte.
Doch dann erinnerte er sich an ihre glühende Leidenschaft, als sie in seinen Armen lag, und er sie küsste …
War das die Antwort einer erfahrenen Frau oder eines unschuldigen jungen Mädchens gewesen? Hatte er sich derart in ihr getäuscht? Wie sollte ein Mann das nach nur einem gestohlenen Kuss beurteilen können?
Und warum, zur Hölle, dachte er überhaupt über so etwas nach? Jungfrau oder Vamp – für ihn war sie eine verbotene Frucht.
Genau deshalb war es auch Unsinn, auf die Gefühle seines Personals oder etwaigen Klatsch Rücksicht nehmen zu wollen. Eine seiner Angestellten war offenbar misshandelt worden, und als ihr Arbeitgeber hatte er die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sich darum zu kümmern.
Im väterlichen Palast in seiner Heimat wären derartige Skrupel gar nicht erst aufgekommen. Da war es ganz natürlich, dass sich der Scheich persönlich verantwortlich für das Wohlergehen seiner Untergebenen fühlte. Diese Lektion hatte Shahir schon in sehr jungen Jahren lernen müssen. Ein aufrechter Mann tat, was getan werden musste – ungeachtet jeglicher Konsequenzen!
Entschlossen setzte sich Shahir vor den PC, um anhand des Haushaltsplans herauszufinden, in welchem Bereich des Castles Kirsten heute tätig war. Dabei erlaubte er sich nicht, darüber nachzudenken, seit wann er überhaupt wusste, dass derartige Personalarbeitspläne für das Schloss existierten, und warum er so gut über sie informiert war.
Kirsten polierte den alten Parkettfußboden in der Galerie. Dieses Mal hatte sie allerdings keine Augen für ihre reizvolle Umgebung. Die Aussicht, heute Nachmittag wieder auf die Farm zurückkehren zu müssen, erfüllte sie derart mit Angst, dass sie völlig davon beherrscht war. In welcher Stimmung würde sie ihren Vater antreffen?
„Kirsten?“
Beim Klang ihres Namens zuckte sie so heftig zusammen, dass die Bürste ihrem schwachen Griff entglitt und klappernd zu Boden fiel. Der silberblonde Schopf flog hoch, und aus schreckgeweiteten Augen schaute sie zu Shahir hinüber, der kaum fünf Meter von ihr entfernt stehen geblieben war. Selbst von dort aus konnte er die Angst in ihren schönen Augen sehen, ebenso wie die dunklen Verfärbungen auf ihrer angeschwollenen Gesichtshälfte. Wie aus dem Nichts wurde er von einer heißen Wut erfasst, die ihn alle Beherrschung vergessen ließ.
„Himmel! Was ist denn mit Ihnen passiert?“, keuchte er erschrocken auf und war mit wenigen langen Schritten bei ihr. „Hat Ihr Vater Ihnen das angetan?“
Seine aufrichtige Betroffenheit trieb Kirsten die Tränen in die Augen. Den ganzen Morgen über war sie sich der versteckten Seitenblicke und des Getuschels um sie herum bewusst gewesen und hatte sich von Stunde zu Stunde schlechter gefühlt. Pamela Anstruther war bisher die Einzige gewesen, die sie direkt auf ihre Verletzung angesprochen hatte.
„N…ein, ich … ich weiß gar nicht, was Sie auf diesen Gedanken bringt“, stammelte sie nervös. „Ich bin gestolpert und gegen den Tisch gefallen.“
Shahir hob seine schlanke Hand und strich mit einem Finger behutsam über die hässliche Schramme, die in einem geradezu dramatischen
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