Ein reines Gewissen
Tresen. Der Inhaber war munter geworden und erriet ihre Bestellung, noch bevor sie einen Ton gesagt hatte: Lapsang souchong mit einer Scheibe Zitrone. Fox gab vor, Zeitung zu lesen, während die beiden miteinander plauderten. Dearborn stand auf Zehenspitzen, die Ellbogen auf die Theke gestützt. Beim Sprechen zwirbelte sie eine Strähne zwischen den Fingern. Fox versuchte zu ignorieren, wie attraktiv sie war. Sie war Max Dearborns Schwester. Und Journalistin.
Der Inhaber bestand darauf, ihr den Tee an den Tisch zu bringen. Zum Dank lächelte sie ihn mit krausgezogener Nase an und setzte sich, nachdem sie ihre Tasche heruntergenommen hatte, auf den Stuhl neben Fox statt ihm gegenüber. Sie schlug die Beine übereinander, während er sich für die Kunst an den Wänden zu interessieren schien.
»Netter Ort«, sagte er.
»Vor allem bequem zu erreichen: Ich wohne in der Gardner's Crescent.«
Fox nickte und wandte seine Aufmerksamkeit dem Fenster zu. Auf der anderen Straßenseite gab es zwei Läden, einen Friseur und einen Tierarzt. Linda Dearborn hatte sich inzwischen zu ihrer Tasche hinuntergebeugt, um den Laptop herauszuholen. Als sie ihn auf den Tisch stellte, blickte sie auf ihren Blusenausschnitt hinunter.
»Huch, das nennt man wohl wardrobe malfunctions, entschuldigte sie sich halbherzig.
»Funktioniert der Trick immer?«, fragte Fox und schaute ihr dabei in die Augen.
»Meistens«, gab sie schließlich zu.
»Tja, ich weiß Ihre Mühe durchaus zu schätzen, aber vielleicht könnten wir jetzt ...« Er tippte auf den Laptop. Dearborn zog einen Schmollmund, klappte dann aber den Monitor hoch und schaltete das Gerät ein. Als sie ihr Passwort eintippte, wandte Fox sich ab. Zwanzig Sekunden und zwei Klicks später drehte sie den Monitor zu ihm hin.
»Das Handelsregister ist schön und gut«, begann sie. »Hilfreicher war für mich aber die Tatsache, dass die Wirtschaftsredaktion meiner Zeitung noch nicht verkleinert wurde ... Die Wirtschaftsprüfer sind noch nicht einmal zur Hälfte mit dem durch, was Mr. Brogan hinterlassen hat, aber es scheint bereits festzustehen, dass CBBJ in den Anfangsjahren durch beträchtliche Geldspritzen über Wasser gehalten wurde. Die allerdings, soweit man weiß, nicht immer ordnungsgemäß belegt wurden.«
»Was bedeutet?«
»Wir wissen nicht, woher das Geld kam. Es gibt eine Menge weiterer Gesellschafter.«
»Heißt einer davon zufällig Wauchope Leisure?«
Dearborn wanderte mit einem ihrer von langen Nägeln geschmückten Finger auf dem Touchpad abwärts, die Namen und Zahlen auf dem Monitor wanderten mit.
»Nicht ganz«, antwortete sie, während sie mit dem Cursor über einen Namen fuhr und ihn markierte: ScotFuture (Wauchope).
»Ob diese Firma wohl ihren Sitz in Dundee hat?«, fragte Fox.
Dearborn nickte nur. »Erinnern Sie sich, dass Sie mich baten, mir den Kundenstamm von Lovatt, Meikle, Meldrum anzuschauen? Zufällig arbeiten sie für eine Firma namens Wauchope
Leisure. Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, hatten sie den Auftrag, in einer Anzeigenserie für Stripteaseclubs im ganzen Land alles potenziell Skandalträchtige zu verschleiern. In der Zwischenzeit ist Wauchopes geschäftsführender Direktor ins Gefängnis gewandert ...«
»Na, so was«, sagte Fox sinnierend. Als die Journalistin merkte, dass sie nicht mehr aus ihm herausbekommen würde, wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Bildschirm zu.
»Hier sind viele kleine Firmen aufgelistet, Privatfirmen, die kaum Auskunft über sich zu geben brauchen. Die Kollegen in der Wirtschaftsredaktion waren verblüfft darüber, dass Charlie Brogan landauf, landab Freunde zu haben schien: Inverness, Aberdeen, Glasgow, Kilmarnock, Motherwell, Paisley ... und noch darüber hinaus: in Newcastle, Liverpool, Dublin ...«
»Ich nehme nicht an, dass diese Freundschaften die Finanzkrise überdauert haben«, bemerkte Fox.
»Nein, das glaube ich auch nicht. All diejenigen zum Beispiel, die in Salamander Point investiert haben ... Von denen scheint niemand damit zu rechnen, dass er mehr als fünf Prozent von dem Geld wiedersieht.«
»Auweia!«
»Und unsere leichtgläubigen Banken trifft es noch härter: Brogan hatte Kredite von insgesamt über achtzehn Millionen aufgenommen und war mit seinen Zahlungen im Rückstand.«
»Könnten Sie sich das Geld von seiner Witwe zurückholen?«
»Unwahrscheinlich - das ist ja das Schöne an einer GmbH.«
»Das heißt: Joanna Broughtons Name befindet sich auf keinem der Papiere? War
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