Ein reines Gewissen
aufzustehen und ihr sagte, es werde schon alles gut. »Sie kommen mit zu mir ...«
Judes Augen waren noch immer gerötet, als Fox seine Schwester auf beide Wangen küsste.
»Ich komme, sobald ich kann«, sagte er. Ein uniformierter Beamter wartete auf die Frauen, sein Streifenwagen parkte vor der Tür. Der Mann wirkte beinahe gelangweilt, und Fox hätte ihn am liebsten geschüttelt. Stattdessen schaute er auf sein Handy: zwei Nachrichten von Tony Kaye, genau genommen eine, die zweimal gesendet worden war: Brauchst du mich?
Fox hatte schon »nein« getippt, hängte dann aber »noch nicht« dran. Als er die SMS verschickte, tauchte Jamie Breck wieder auf.
»Werden Sie bei der Autopsie nicht gebraucht?«, fragte Fox. »Es dauert noch eine Stunde, bis sie anfangen können.« Breck schaute auf seine Armbanduhr. »Das heißt, wenn Sie möchten, kann ich Sie da rausbringen.«
»Ich bin mit dem Auto da.«
»Dann fahren Sie uns ...«
Als sie schon vier Minuten unterwegs waren, äußerte Breck, dass sie zu Fuß wohl schneller gewesen wären. Es ging immer geradeaus, von der Cowgate über die West Port zur Fountainbridge, aber der Verkehr war wieder zum Stillstand gekommen: Zwei Arbeiter in Leuchtwesten lotsten die Fahrzeugschlangen durch ein Nadelöhr, indem sie abwechselnd Schilder mit der Aufschrift STOP oder GO hochhielten.
»Das kann die Leute verrückt machen«, sagte Breck, »plötzlich so viel Macht zu haben ...«
Fox nickte nur.
»Was dagegen, wenn ich Sie etwas frage?« Fox hatte viel dagegen, zuckte aber nur die Achseln. »Wie hat Ihre Schwester sich den Arm gebrochen?« »Sie ist in der Küche gestürzt.«
Breck tat, als dächte er darüber nach. »Mr. Faulkner war Bauarbeiter?« »Ja.«
»Arbeitskleidung hatte er aber nicht an: stattdessen hochwertige Chinos, Polohemd und Lederjacke. Die Jacke war ein Weihnachtsgeschenk von Ms. Fox.«
»Ach ja?«
»Wollten sie heiraten?«
»Auch das müssen Sie sie fragen.«
»Sie stehen sich nicht sehr nah?«
Fox spürte, wie seine Hände sich fester um das Lenkrad schlössen. »Wir stehen uns nah«, sagte er. »Und Mr. Faulkner?« »Was ist mit ihm?« »Mochten Sie ihn?« »Nicht besonders.«
»Warum nicht?« »Einfach so.«
»Vielleicht gibt es zu viele Gründe, um sie alle zu nennen?« Breck nickte vor sich hin. »Der Lebensgefährte meines Bruders ... Mit dem komme ich auch nicht allzu gut aus.«
»Der Lebensgefährte?«
»Mein Bruder ist schwul.«
»Das wusste ich nicht.«
Breck sah Fox an. »Warum sollten Sie auch.«
Stimmt, und warum sollte ich wissen, dass ebendieser Bruder Ingenieur in Amerika ist...
Fox räusperte sich. »Was haben Sie für einen Eindruck von der Sache?«, fragte er.
Breck nahm sich Zeit für die Antwort. »Neben dem Fundort der Leiche befindet sich ein Loch im Zaun. Außerdem gibt es eine kleine Seitenstraße, in der ein Auto oder Lieferwagen parken könnte.«
»Ist die Leiche dort hingeworfen worden?«
Breck zuckte die Achseln und begann, seine Nackenmuskulatur zu dehnen. »Ich habe Ms. Fox gefragt, wann sie Mr. Faulkner zuletzt gesehen hat.«
»Und«?
»Sie sagt, Samstagnachmittag.« Fox konnte den Knorpel in Hals und Schultern des jüngeren Mannes knirschen hören. »Dieser Gips sieht ziemlich neu aus ...«
»Das ist am Samstag passiert«, bestätigte Fox mit gleichbleibend ruhiger Stimme, während er sich auf die Straße konzentrierte: Noch zwei Ampeln und ein Kreisverkehr und dann waren sie da.
»Sie fährt also in die Notfallambulanz, und derweil macht Mr. Faulkner einen drauf.« Breck hörte mit seinen Übungen auf, beugte sich leicht vor und drehte den Kopf so, dass er Blickkontakt zu Fox herstellen konnte. »In der Küche gestürzt?«
»Das hat sie mir jedenfalls erzählt.«
»Und so haben Sie es mir gesagt... Aber Ihr Gesicht hat sich dabei ein ganz klein wenig angespannt.«
»Sind Sie vielleicht Columbo oder was?«
»Ich bin nur aufmerksam, Inspector Fox. Sie müssen die Nächste links nehmen.«
»Ich weiß.«
»Und da ist wieder diese Anspannung im Gesicht«, sagte Jamie Breck, gerade so laut, dass Fox es hörte.
Die Polizeiabsperrung war noch vorhanden, aber der diensthabende Beamte in Uniform hob das Band an, um sie durchzulassen. Zwei Journalisten vom Lokalblatt standen da, aber sie waren beide lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass sie vergeblich um eine Stellungnahme bitten würden. Ein paar Leute schauten vom Leinpfad aus zu, wenngleich es nicht viel zu sehen gab. Die Spurensicherung hatte
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