Ein reines Gewissen
abgesetzt hatte, fuhr gerade weg. Ihr Arm steckte immer noch in der Schlinge, sodass sie sich ihren dreiviertellangen Mantel nur über die Schultern hatte werfen können.
»Schön, dich zu sehen«, sagte er, küsste sie flüchtig auf die Wange und bat sie herein.
»Ziehst du aus?«, fragte sie, als sie den Zustand des Wohnzimmers sah.
Fox schüttelte den Kopf. »Warst schon eine ganze Weile nicht mehr hier«, bemerkte er.
»Anscheinend wurden wir nie eingeladen.« Sie hatte ihren Mantel abgestreift. Fox ging in die Küche und ließ Wasser in den Kessel laufen.
»DCI Giles hat mich angerufen«, erklärte sie von der Tür aus. »Er sagt, der Mann, der Montagabend bei mir vor der Tür stand, war ein Freund von dir.«
»Wir arbeiten zusammen.«
»Giles glaubt, du hättest ihn geschickt.«
»Hab ich nicht.«
»Um die Drecksarbeit für dich zu machen«, fuhr sie fort. »Er heißt Kaye ... Ich glaube, du hast ihn schon mal erwähnt. Woher wusste er, wo ich wohne, Malcolm?«
Fox wandte sich ihr zu. »Jude ... dieser Giles versucht mit allen möglichen Tricks, mich fertigzumachen.«
»Hast du Kaye gesagt, wo ich wohne?«
»Irgendwann wahrscheinlich schon. Ich wusste aber nicht, dass er zu dir nach Hause fahren würde.«
»Er hat nach Vince gefragt. Dazu hatte er doch nur Grund, wenn er von dir wusste, was passiert war - das mit meinem Arm.«
»Und?«
Sie blinzelte, um ihre Tränen zurückzuhalten. »DCI Giles glaubt, dass du Vince vielleicht hast umbringen lassen.« »Hab ich nicht.«
»Warum schickst du dann deinen Freund zu mir?«
»Ich habe ihn nicht geschickt. Er hat nach Vince gefragt, oder? Da war Vince aber schon tot, Jude - was Tony Kaye offensichtlich nicht wusste.« In Fox' Schläfen pochte es heftig. Er öffnete eine Schublade und nahm eine Schachtel Paracetamol heraus, drückte zwei Tabletten aus der Blisterpackung und schluckte sie mit Leitungswasser. Jude wartete, bis er damit fertig war.
»Giles sagt, Vince könnte auch Montagabend getötet worden sein, fuhr sie fort. »Die Untersuchungen würden angeblich immer eine Fehlerspanne aufweisen.«
»Er lügt. Laut Gerichtsmedizin ist Vince am Samstag oder Sonntag getötet worden.«
Eine einzelne Träne lief Jude über die linke Wange. »Ich möchte nur, dass das bald vorbei ist«, sagte sie mit kippender Stimme. Fox trat auf sie zu und legte ihr sanft die Hände auf die Schultern.
»Ich weiß«, sagte er, als sie ihr Gesicht an seiner Brust vergrub.
Während der nächsten anderthalb Stunden unterhielten sie sich leise im Wohnzimmer. Sie trank den Tee, den er für sie gekocht hatte, zum Essen war ihr jedoch nicht zumute. Sie versicherte ihm, mittags etwas gegessen zu haben. Und ja, am nächsten Morgen würde sie frühstücken. Fox holte eine Packung Weetabix aus der Küche und sagte, die müsse sie mitnehmen. Als er ihr auch noch die Milch dazu geben wollte, lachte sie leise und bat ihn, nicht so viele Umstände zu machen. Doch Fox hatte das Gefühl, dass es ihr in Wirklichkeit guttat.
Er rief ein Taxi und drückte ihr einen Zehnpfundschein in die Hand. Dann gab er ihr wieder einen leichten Kuss auf die Wange, schloss die Beifahrertür des Taxis und winkte ihr nach, als es losfuhr. Sie hatte ihn gefragt, ob er ihren Vater gesehen habe, und er hatte gelogen; er wollte nicht, dass sie sich ausgeschlossen fühlte. Zu seinem nächsten Besuch bei Mitch würde er sie mitnehmen. Sie gehörte genauso dorthin wie er. Sie war Familie.
Malcolm Fox kochte sich eine letzte Tasse Tee und machte sich fertig fürs Bett. Es war noch nicht zehn, aber ihm fiel nichts anderes mehr ein, was er noch hätte tun können.
Montag, 16. Februar 2009
15
Malcolm Fox wurde wie üblich um sieben vom Weckerklingeln wach. Er stand schon unter der Dusche, als ihm bewusst wurde, dass es gar nicht nötig gewesen wäre, so früh aufzustehen. Und ebenso wenig, ein sauberes Hemd und eine frische Krawatte oder seinen Anzug mit den Hosenträgern anzuziehen; das hatte ihn jedoch nicht abgehalten, es trotzdem zu tun. Während des Frühstücks klingelte das Telefon. Es war eine Frau namens Stoddart von der PSU der Grampian Police, die ihn zu einem Treffen im Polizeipräsidium Fettes »einlud«.
»Wie wär's mit fünfzehn Uhr?«
»Ist mir recht«, ließ Fox sie wissen.
Der Tag war kalt und verhangen. In seinem Garten zeigten sich die ersten Schneeglöckchen, und er nahm an, dass in den Meadows und den anderen Parks der Stadt ein paar tapfere Krokusse bereits ihre
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