Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music
verscheuchte es mit einem Kopfschütteln. »Also los, sehen wir uns den Schaden an«, sagte er.
Die erste Frage, die man ihnen im Krankenhaus stellte: »Sind Sie Angehörige?«
»Er ist mein Bruder«, behauptete Rebus. Das schien Öl ins Getriebe zu schmieren, und man begleitete sie in einen – zu dieser Uhrzeit menschenleeren – Warteraum. Rebus nahm sich eine Illustrierte. Von vorn bis hinten nur Promiklatsch. Aber da sie schon sechs Monate alt war, bestand die Möglichkeit, dass die Promis inzwischen wieder in der Versenkung verschwunden waren. Er bot sie Clarke an, aber sie schüttelte den Kopf.
»Ihr Bruder?«, fragte sie.
Rebus zuckte die Schultern. Sein wirklicher Bruder war vor anderthalb Jahren gestorben. In den letzten paar Jahrzehnten hatte sich Rebus erheblich weniger um ihn gekümmert als um Cafferty … hatte wahrscheinlich auch weniger Zeit mit ihm zusammen verbracht. Seine Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen, seine Feinde schon.
»Was, wenn er stirbt?«, fragte Clarke und verschränkte die Arme. Sie hatte die Beine, an den Fußknöcheln übereinandergeschlagen, weit von sich gestreckt und war auf ihrem Stuhl in sich zusammengesackt.
»So ein Glück werd ich kaum haben«, sagte Rebus. Sie starrte ihn böse an.
»Also, was meinen Sie, wer hinter der Sache steckt?«
»Könnten wir daraus eine Multiple-Choice-Frage machen?«, fragte er zurück.
»Wie viele Namen haben Sie zur Auswahl?«
»Hängt davon ab, ob er seinen russischen Freunden auf die Zehen getreten ist.«
»Andropow?«
»Für den Anfang. Die SCD-Leute meinten, sie stünden kurz davor, Cafferty einzusacken. Möglich, dass es ein paar Leute gab, die das nicht zulassen konnten.« Er brach ab, als ein unwahrscheinlich junger Arzt im traditionellen weißen Kittel die Schwingtür am Ende des Korridors aufstieß und, Notizen in einer Hand, Stift zwischen den Zähnen, auf sie zumarschiert kam. Er nahm den Stift aus dem Mund und steckte ihn sich in die Brusttasche.
»Sie sind der Bruder des Patienten?«, fragte er. Rebus nickte. »Tja, Mr. Cafferty, ich brauche Ihnen nicht zu erzählen, dass Morris mit einem ungewöhnlich widerstandsfähigen Schädel gesegnet zu sein scheint.«
»Wir nennen ihn Ger«, sagte Rebus. »Manchmal Big Ger.«
Der junge Arzt nickte, während er seine Notizen konsultierte.
»Aber geht’s ihm gut?«, fragte Clarke.
»Ganz im Gegenteil. Morgen früh werden wir noch einen weiteren Scan machen. Er ist noch immer ohne Bewusstsein, aber für den Anfang haben wir noch genügend zerebrale Aktivität.« Er legte eine Pause ein, als überlegte er, wie viel sie noch wissen sollten. »Wenn der Schädel einen heftigen Schlag erhält, schaltet das Gehirn automatisch ab – um sich zu schützen oder zumindest den Schaden zu begrenzen und abzuschätzen. Das Problem ist manchmal, es wieder in Gang zu bringen.«
»Wie wenn man einen Computer neu bootet?«, fragte Clarke. Der Arzt schien mit dem Vergleich einverstanden zu sein.
»Und es ist noch zu früh, um zu wissen, ob Ihr Onkel einen bleibenden Schaden davontragen wird«, sagte er zu ihr. »Blutgerinnsel konnten wir keine feststellen, aber morgen sind wir gescheiter.«
»Er ist nicht mein Onkel«, sagte sie streng. Rebus tätschelte ihr den Arm.
»Sie ist durcheinander«, erklärte er dem Arzt. Und dann, als Clarke ihren Arm wegzog: »Dann hat man also – mit was auch immer – auf ihn eingeschlagen?«
»Vermutlich zwei- oder dreimal«, bestätigte der Arzt.
»Von hinten?« Der Arzt fühlte sich mit jeder neuen Frage sichtlich weniger wohl in seiner Haut.
»Er wurde am Hinterkopf getroffen, ja.«
Rebus sah Siobhan an. Auch Alexander Todorow hatte von hinten eins draufgekriegt, und zwar fest genug, um daran zu sterben. »Können wir ihn sehen, Doc?«, fragte Rebus.
»Wie ich sagte, er ist momentan nicht bei Bewusstsein.«
»Trotzdem …« Jetzt sah der Arzt ernsthaft besorgt aus. »Spricht irgendetwas dagegen?«, beharrte Rebus.
»Hören Sie, man hat mir gesagt, wer Mr. Cafferty ist … ich weiß, dass er in Edinburgh einen gewissen Ruf hat.«
»Und?«, fragte Rebus.
Der Arzt leckte sich über die feuchten Lippen. »Na ja, Sie sind sein Bruder … und stellen diese ganzen Fragen. Bitte sagen Sie mir, dass Sie nicht vorhaben, Jagd auf den Täter zu machen.« Er entschied, dass ein kleiner Scherz die Situation entspannen könnte. »Wir haben so schon kaum noch Betten frei«, sagte er mit einem schwachen Lächeln.
»Wir möchten ihn einfach nur sehen,
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