Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
gleich aufbrechen. Sobald Emmy-Lou zurückkommt, bürste ich ihre Haare und mache sie fertig.“
Annie hatte gar nicht gemerkt, dass ihr Bruder sie gerne mitgenommen hätte. Hope sah Jakob fragend an. Er erwiderte den Blick, und Hope konnte in seinen Augen lesen, dass er sie nicht fragen würde.
„Phineas sagte, es wäre keine gute Idee, wenn du mitkommst“, sagte Jakob. „Er sagte, es wäre zu anstrengend für dich.“
Erschöpfung stand in Annies Augen, als sie sich verteidigte. „Ich komme mit, wenn du willst. Sag nur ein Wort, und ich mache mich fertig. Sag mir nur, was du willst ...“
„Ich will“, fiel ihr Jakob sanft ins Wort, „dass du dir keine Sorgen machst. Wenn dir dein Rücken jetzt schon wehtut, dann kannst du auf keinen Fall den ganzen Tag in der Kutsche sitzen.“
Annie zog den Kopf ein. „Es tut mir leid.“
„Du musst dich nicht entschuldigen.“ Hope goss Kaffee in die Tassen. „Dein Bruder liebt dich. Er und Phineas wollen nur nicht, dass du von dem langen Weg zu müde wirst. Hab ich nicht recht, Mr Stauffer?“
„Ja, es ist ein weiter Weg.“ Mr Stauffer beobachtete Annie, wie sie sich langsam durch die Küche schleppte. „Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?“
„Ja. Ich bin nur rund und schwerfällig.“
„Du bist wunderschön und trägst einen kleinen Segen da unter deiner Schürze.“ Hope stellte den Schinken auf den Tisch. „Ich wette, Gott schaut jetzt von seinem Thron auf die Erde und freut sich an dem Wunder, das ihr gerade zusammen vorbereitet.“
„Aber was ist jetzt mit der Fahrt?“ Annie kaute auf ihrer Unterlippe.
„Ich wäre sehr viel schneller, wenn ich Emmy-Lou auf Josephine reiten würde.“ Er nickte kurz, um seine Entscheidung zu bekräftigen. „Ja. Dann sind wir viel schneller wieder zurück, als wenn wir die Kutsche nehmen. Das ist ein guter Plan.“
„Stimmt. Wenn ihr Rücken so wehtut, dann können Annie und ich ja auch einfach zu Hause bleiben. Annie liest mir ein bisschen aus der Bibel vor, dann haben wir unseren eigenen Gottesdienst hier zu Hause.“
„Sehr gut. Dann machen wir uns wohl besser auf den Weg.“
Etwas später stopfte Hope Annie auf dem Wohnzimmersofa ein Kissen in den Rücken und setzte sich neben sie. „So. Wie fühlt sich das an?“
„Ich mache mir Sorgen. Vielleicht hätte ich doch mitfahren sollen.“
„Pappilidap!“ Als Annie ihr einen verwirrten Blick zuwarf, musste Hope lachen. „Hab ich schon wieder ein Wort verdreht? Wie heißt das Wort noch mal, das so viel heißt wie Unsinn?“
„Papperlapapp?“
„Papperlapapp!“, wiederholte Hope langsam. „Das ist es! Also, jetzt sag ich dir mal was, Annie. Dein Bruder wird das Ganze schon gut allein mit seiner kleinen Tochter meistern. Außerdem tut es den beiden gut, mal einen ganzen Tag zusammen zu sein. Und Emmy-Lou freut sich bestimmt, dass sie sich den dritten großen Keks mit ihrem Papa teilen kann.“
Annie faltete die Hände in ihrem Schoß. „Ich wünschte, ich könnte so sein wie du. Ich mache mir immer Sorgen.“
„Du hast ja auch eine ganz schöne Last zu tragen. Du müsstest schon so dumm sein wie ein Hamster, damit deine Gedanken nicht ab und zu abschweifen. Aber es kommt nicht darauf an, dass du immer wieder an die Schwierigkeiten denkst. Ich glaube, es kommt darauf an, was man mit den Schwierigkeiten und Ängsten macht.“
Annies Fingerknöchel wurden weiß, als sie ihre Hände noch fester zusammenpresste. Dann flüsterte sie: „Konrad hat gesagt, dass ich dumm bin und an all meinen Problemen selbst schuld sei.“
Der Schmerz in der Stimme ihrer Freundin zog Hope das Herz zusammen. „Ich kenne diesen Konrad nicht. Um ehrlich zu sein, könnte ich damit leben, ihn bis zum Ende meiner Tage nicht kennenzulernen. Es bricht mir das Herz zu sehen, wie sehr dieser Mann dir wehgetan hat.“
„Ich bin jetzt schon sieben Monate weg. Er hat mir nichts mehr getan, seit Jakob mich weggeholt hat.“
„Wir loben den barmherzigen Gott dafür, dass er dich gerettet hat. Aber Annie, Worte können genauso wehtun wie eine Faust! Sie zerstören den Körper von innen statt von außen. Diese Wunden tun ganz genauso weh wie die blauen Flecken an deinem Körper, aber der Schmerz hält viel länger an.“
Tränen liefen Annie übers Gesicht. „Wenn ich nur eine bessere Ehefrau gewesen wäre –“
„Dann hätte Konrad trotzdem was gefunden, das du falsch machst. Es gibt einfach Menschen, die sind durch und durch böse. Die Bosheit brodelt in ihnen
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