Ein sicheres Haus
winkte sie zu mir, und wir umarmten uns, wie wir das seit Jahren nicht mehr getan hatten; und dann fing sie an, mir flüsternd etwas über Elsie zu erzählen, und tat dabei so geheimnisvoll, daß Elsie sofort anfing, Fragen danach zu stellen.
Ich fing an zu weinen und konnte es nicht verbergen. Meine Mutter führte Elsie aus dem Zimmer, und ich war wieder allein.
Plötzlich dachte ich an Danny. Nicht den Danny von früher, sondern den Danny, über den ich nie etwas wissen würde. Ich stellte mir vor, wie man ihm die Waffe an den Kopf hielt und ihn zwang, mir diesen kurzen Brief zu schreiben, und ich versuchte mir vorzustellen, wie er sich gefühlt hatte. Er mußte in dem Gedanken gestorben sein, daß er mich verraten hatte und daß ich das nie erfahren würde. Seit ich ein junges Mädchen war, wurde mir immer ganz schwindlig bei dem Gedanken an meinen Tod, daran, daß ich in Vergessenheit versinken würde.
Die Vorstellung von Dannys Tod war noch schrecklicher, und ich vollzog sie nicht nur mit dem Verstand nach, sondern spürte sie auch auf meiner Haut und hinter meinen Augen und summend in meinen Ohren. Sie machte mich kalt und unversöhnlich.
Meine Mutter war ins Haus gezogen, um sich um Elsie zu kümmern. Ihr Mitgefühl war bühnenreif.
»Ich nehme an, das Haus weckt unglückliche Erinnerungen«, sagte sie. »Kannst du es ertragen, wieder darin zu wohnen?«
Ich wollte nicht, daß sie mir sagte, was ich fühlen sollte.
»In diesem Haus lebt Elsie. Es hat keine schlechten Erinnerungen für mich.«
Schon nach wenigen Tagen fühlte ich mich stark genug, das Krankenhaus zu verlassen, und zwei Tage später war ich in der Lage, meine Mutter in Stamford in einen Zug zu setzen, um nicht länger in ihrer Schuld zu stehen. Alles lief wieder in geordneten Bahnen, nur hatte ich nichts von Baird gehört. Ich wußte, daß ich etwas verdrängte, denn mir war nicht klar, wohin es führen würde, wenn ich erst anfinge, mich damit zu beschäftigen. Eine Woche nach meinem Gespräch mit Baird rief Chris Angeloglou an und bat mich, aufs Revier zu kommen. Ich fragte nach dem Grund, und er sagte, sie brauchten eine Aussage, aber ich würde vielleicht auch etwas erfahren, was von Nutzen für mich sei. Ob ich noch am gleichen Nachmittag kommen könne.
Ich wurde mit Chris und Rupert in einen Verhörraum geführt.
Sie waren sehr nett zu mir und lächelten. Sie ließen mich Platz nehmen, brachten mir Tee und Kekse, schalteten ihr Tonbandgerät ein und fragten mich nach den Ereignissen am Tag von Michaels Tod. Mit allen ihren Fragen und meinen Antworten, Zusätzen und Einwürfen dauerte es fast anderthalb Stunden, aber gegen Ende wirkten sie recht zufrieden.
»Ausgezeichnet«, sagte Rupert und schaltete das Gerät endlich aus.
»Sie glauben mir also?«
»Natürlich tun wir das. Bleiben Sie noch einen Augenblick.
Phil Kale sollte um halb vier hier sein. Ich werde nachsehen, ob er gekommen ist.«
Rupert stand auf und verließ das Zimmer. Chris gähnte und rieb sich die Augen.
»Sie sehen so aus, wie eigentlich ich aussehen sollte«, sagte ich.
»Alles Ihre Schuld«, sagte Chris grinsend. »Wir sind seit Ihrem Tip hart am Ball geblieben. Sie werden Ihre Freude haben.«
»Gut. Ich kann ein bißchen Freude gebrauchen.«
Baird kam zurück und brachte den zerstreuten, zerzausten Mann mit, an den ich mich von dem Tag erinnerte, an dem wir Mrs. Ferrer tot aufgefunden hatten. Jetzt war der Drahtrand eines seiner Brillengläser mit Klebeband geflickt, und er trug eine Cordjacke, wie ich sie zuletzt an einigen meiner Lehrer Ende der siebziger Jahre gesehen hatte. Unter seinem Arm klemmte ein dicker Stapel Akten. Chris zog einen Stuhl heran, und der Mann setzte sich.
»Das ist Dr. Philip Kale, unser Pathologe. Phil, das ist unsere Heldin, Dr. Sam Laschen.«
Wir schüttelten uns die Hände, was dazu führte, daß zahlreiche Akten auf den Boden flatterten.
»DC Baird hat mit erzählt, daß Sie gerade eine Aussage über Dr. Daleys Geständnis gemacht haben.«
»Ja.«
»Gut. Ich kann nur eine Minute bleiben. Sie haben gerade eine Ertrunkene aus dem Kanal gefischt. Ich kann Ihnen bloß sagen, daß das, was Sie der Polizei erzählt haben, anscheinend durch alle forensischen Beweise bestätigt wird. Gott, wo soll ich anfangen?«
»Haben Sie Michaels Bootshaus überprüft?« fragte ich.
»Ja«, sagte Kale. »Im Bootshaus gab es zahlreiche Blutspuren.
Wir haben auch Fasern und Haare gefunden. Wir haben eine Reihe von serologischen Tests
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