Ein sicheres Haus
vielleicht, aber es ist nicht ganz einfach. Warum hat Finn ihr Testament zugunsten von Michael Daley gemacht? Das war praktisch für ihn, nicht?«
»Vielleicht wollten sie heiraten.«
»Ach, um Gottes willen, Rupert. Und da ist noch was.«
»Was denn?«
»Sie erinnern sich vielleicht, daß ich Michael Daley schon früher verdächtigt und Sie mir demonstriert haben, daß er mit dem Verbrennen des Autos nichts zu tun gehabt haben könnte.
Soweit ich weiß, haben Sie keinen Beweis, daß er am Schauplatz der Morde an den Mackenzies war, und als das Auto verbrannte, war er in Belfast, das haben Sie mir selbst gesagt.«
Die beiden Männer sahen sich kleinlaut an. Oder zwinkerten sie sich zu? Rupert machte mit den Händen eine beschwichtigende Geste.
»Sam, Sam, Sie hatten recht, wir hatten unrecht. Was möchten Sie? Daß wir auf die Knie fallen? Ich gebe zu, es gibt da ein oder zwei lose Enden, und wir werden unser Bestes tun, sie zu verknüpfen, aber im wirklichen Leben sind die Dinge kaum jemals sauber und ordentlich. Wir wissen, was passiert ist, und wir wissen, wer es getan hat. Wie es passiert ist, werden wir vermutlich nie genau erfahren.«
»Hätten Sie eine Verurteilung erreicht, wenn Michael Daley überlebt hätte?«
Baird hielt scheinheilig mahnend einen Finger hoch.
»Genug, Sam. So ist es für uns alle gut. Wir haben ein Resultat. Sie werden eine berühmte Heldin wie Boadicea und …
äh … wie …« Hilflos blickte er zu Angeloglou.
»Edith Cavell«, schlug Angeloglou gutgelaunt vor.
»Die wurde hingerichtet.«
»Na, dann wie Florence Nightingale. Entscheidend ist, daß es vorbei ist und wir alle zu unserem Alltag zurückkehren können.
In ein paar Monaten treffen wir uns zu einem Drink und lachen über all das.«
»Das Georgskreuz«, sagte ich.
»Was?«
»Ich habe das Georgskreuz als Orden immer hübsch gefunden.«
»So tapfer waren Sie nun auch wieder nicht. Wenn Sie ertrunken wären, hätten Sie vielleicht das Georgskreuz bekommen.«
Ich stand auf, um zu gehen.
»Wenn ich ertrunken wäre, hätten Sie nie erfahren, wie wunderbar heldenhaft ich war. Ich sehe Sie im Fernsehen, Rupert.«
30. KAPITEL
Ich tat eine Menge Dinge gleichzeitig. Ich empfand eine Menge Dinge gleichzeitig. Das erste Mal in meinem Leben fand ich es gut, von all dem langweiligen Zeug absorbiert zu sein, das man nur bemerkt, wenn es nicht getan wird: den Haushalt zu organisieren, dafür zu sorgen, daß Sachen gewaschen wurden, ein bißchen darauf zu achten, was Elsie anzog, Sally auf die Finger zu sehen, damit sie nicht nur den Küchenboden wischte, die Papierstapel auf dem Küchentisch gerade zu rücken und den Müll nach draußen zu tragen. Einmal in der Woche ging Elsie zu Kirsty und wurde dort schikaniert, einmal in der Woche kam Kirsty zu uns und wurde von Elsie schikaniert. Ich fand noch eine zweite Freundin für sie, Susie, ein dünnes, anämisch aussehendes Kind mit Bändern in den blonden Haaren und einem Kreischen von der Lautstärke eines Preßlufthammers. Für die Nachmittage, an denen Elsie allein war, kaufte ich ein großes Buch mit vielen bunten Bildern, und am Spätnachmittag saßen wir dann immer zusammen und zählten die Bananen an jeder Staude und sortierten die Tiere nach Beinen, Flügeln oder Größe oder danach, ob sie im Wasser oder an Land lebten. Trotz der ganzen Biologie sollte das Buch dazu dienen, ihr Mathematik beizubringen.
Ich arbeitete mich Kapitel für Kapitel in meinem Buch vor, wie ein Maulwurf seinen Bau gräbt. Mein Tagesablauf veränderte sich kaum. Elsie zur Schule fahren. Schreiben. Ein Sandwich essen. Einen flotten Spaziergang zum Meer unternehmen, wenn die Flut am höchsten stand. Sie betrachten und komplizierte Dinge denken. Wieder nach Hause gehen.
Schreiben.
Gedanken kreisten in meinem Kopf, die ich immer und immer wieder durchging, wobei ich aus dem Treibgut, das ich zusammenbekam, mehr oder weniger plausible Strukturen konstruierte. Es gab einfache Teilchen und komplizierte. Das Motiv für den Mord war, daß Finn eine ganz beträchtliche Menge Geld erbte, vielleicht auch ein gewisser Groll. Das Verbrechen wurde von Michael Daley ersonnen und begangen, und zwar mit einem Kind, das immer verhätschelt worden war und, den Berichten zufolge, niemals irgendwelche Anzeichen auch nur der kleinsten jugendlichen Rebellion an den Tag gelegt hatte. Aber darauf haben wir Psychologen natürlich immer eine einfache Antwort. Anzeichen von Rebellion? Das war doch zu erwarten. Keine
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