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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Freundin der Familie Mackenzie sei. Aber als wir uns beim erstenmal getroffen hatten, hatte sie Finn nicht erkannt.«
    Chris’ Gesicht war ausdruckslos; er wartete noch immer auf die Pointe.
    »Soll das irgend etwas bedeuten?« fragte er.
    »Ja. Finden Sie das nicht seltsam?«
    Er lachte rauh.
    »Hatte Fiona stark abgenommen, Sam?«
    »Ja.«
    »Hatte sie es vermieden, Leuten persönlich zu begegnen?«
    »Ja.«
    »Also hat Ihre Freundin sie vielleicht nicht richtig gesehen, vielleicht hatte sie ihre Brille vergessen.«
    »Und dann, als ich in Finns Südamerika-Führer geblättert habe, stieß ich zufällig auf einen Abschnitt, und da stand dasselbe – wörtlich dasselbe, meine ich –, was sie mir über ihre Reise erzählt hatte, so als hätte sie es auswendig gelernt.«
    Jetzt ließ er seine Fingerknöchel knacken und sah gelangweilt und fast verächtlich aus. Er machte sich nicht die Mühe, etwas zu sagen.

    »Und gestern ist mir noch etwas Seltsames passiert. Ich lief eilig aus dem Haus und griff aufs Geratewohl nach irgendeinem Hut, und der, den ich erwischte, war lächerlich klein. Er paßte gerade mal so auf meinen Oberkopf. Er brachte Elsie zum Lachen.«
    »Man muß wohl dabeigewesen sein, um die ganze Komik der Situation zu erfassen.«
    »Sehen Sie diesen Hut?« Ich nahm ihn vom Tisch und setzte ihn auf.
    »Paßt genau, nicht? Der gehörte Finn.«
    »In der Wäsche eingelaufen, was? Nun, ich bin natürlich froh, daß Sie mir das mitgeteilt haben, Sam.«
    »Stecken Sie Ihre Hüte in die Waschmaschine, Chris? Das würde ein oder zwei Dinge erklären. Haben Sie in der Schule Naturkundeunterricht gehabt?«
    »Auch das ist wesentlich für die Ermittlungen, nehme ich an.
    Ja, ich hatte Naturkundeunterricht, aber ich wette, ich war darin nicht so gut wie Sie.«
    »Nein, sicher nicht. Eines der Dinge, die man dabei lernt, ist eine Märchenversion der wissenschaftlichen Methode. Man stellt eine Hypothese auf und versucht, sie zu beweisen. Später lernen Sie vielleicht eine raffiniertere Version dieses Vorgehens, die darin besteht, daß Sie eine Hypothese aufstellen und sie zu widerlegen versuchen. Es gibt keine Möglichkeit, die Hypothese zu beweisen, daß alle Menschen kleiner als drei Meter sechzig sind. Aber Sie können sie mit einer einzigen Person, die drei Meter neunzig groß ist, widerlegen. In der Praxis ist es kaum je so einfach. Die Realität ist kompliziert, die Leute handeln unlogisch, der Augenschein ist mehrdeutig. Aber …« Ich trank meinen Gin Tonic aus und knallte das Glas so hart auf den Tisch, daß Leute sich nach uns umdrehten und Chris verlegen auf seinem Stuhl herumrutschte.
    »Ich hoffe, Sie haben nicht vor, mit dem Auto nach Hause zu fahren.«
    »Aber«, wiederholte ich, »dies ist nicht chaotisch. Es ist unmöglich. Bis zu den Entdeckungen in Michaels Bootshaus war es möglich, daß Finn und Danny durchgebrannt sind und dann Selbstmord begangen haben. Es war vielleicht unwahrscheinlich und untypisch und hat mich persönlich zutiefst getroffen, aber es war möglich. Und es ist vielleicht wahrscheinlich und typisch, daß Michael Finn und Danny getötet und ihren Selbstmord vorgetäuscht hat, aber es ist vollkommen unmöglich.« Ich machte eine Pause. Chris antwortete nicht. »Oder?«
    Er klopfte die Asche von seiner Zigarette.
    »So, wie Sie es beschrieben haben, vielleicht. Aber Michael ist tot. Finn ist tot. Wir wissen nicht, was passiert ist.«
    Ich weiß nicht, ob es der Gin Tonic auf leeren Magen oder mein Ärger war, aber auf einmal hatte ich das Gefühl, das Gesumme in der Bar sei in meinen Kopf eingedrungen wie Tinnitus. Ich war plötzlich wütend.
    »Um Himmels willen, tun Sie doch mal einen Moment so, als wären Sie kein Polizist; tun Sie nur einen Moment, als wären sie ein intelligenter, normaler Mensch, dem daran liegt herauszufinden, was wirklich passiert ist. Ich meine, machen Sie sich keine Sorgen, hier sind keine anderen Polizisten, die uns belauschen. Sie brauchen sich nicht vor den Jungs aufzuspielen.«
    »Sie arrogante …« Mit größter Anstrengung bremste sich Chris.
    »Also gut, Sam. Ich höre. Ich möchte es wirklich wissen.
    Wenn wir wirklich so dumm sind, dann sagen Sie uns doch, was uns entgangen ist. Aber bevor Sie anfangen, würde ich gern hinzufügen, daß Sie Gefahr laufen, zu einer echten Plage zu werden. Für Ihre Arbeitgeber, für uns, für Sie selbst, für Ihre Tochter. Ist es das, was Sie wollen? Wollen Sie in den Ruf einer verrückten Besessenen kommen,

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