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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Sie, Sam, es tut mir leid, daß Sie all das am Hals haben. Es funktioniert nicht.
    Und das ist nicht Ihre Schuld. Tun Sie gar nichts. Geben Sie mir einen Tag oder so. Ich werde Baird anrufen, und wir werden sie Ihnen vom Hals schaffen.«
    »Das meine ich nicht«, sagte ich unbehaglich. »Es geht nicht darum, mir jemanden vom Hals zu schaffen.«
    »Nein, nein, natürlich nicht. Ich spreche als Finns Arzt. Ich glaube nicht, daß dies hier für sie angemessen ist. Und abgesehen davon, ist es auch nicht gut für Sie. Ich rufe Sie morgen nachmittag an und lasse Sie wissen, was wir tun werden.«

    Er stützte den Kopf in eine Hand und lächelte mich an.
    »Okay?«
    »Es tut mir leid, Michael«, sagte ich. »Ich hasse das Gefühl, nichts tun zu können, aber dies …« Ich zuckte mit den Schultern.
    »Natürlich«, sagte er.

    Kirstys erstes Erscheinen war nicht vielversprechend. Elsie lief schnurstracks an mir vorbei. Linda kam herein, ein grimmig dreinblickendes Kind an der Hand.
    »Hallo, Kirsty«, sagte ich.
    »Ich will zu meiner Mummy«, jammerte sie.
    »Möchtest du einen Apfel?«
    »Nein.«
    »Ich will nach Hause«, sagte Kirsty und begann zu weinen, richtig zu weinen. Dicke Tränen liefen ihr über die roten Wangen.
    Ich hob sie hoch und trug sie ins Wohnzimmer. Finn war nicht dort, Gott sei Dank. Ich hielt Kirsty im linken Arm, zog eine Schachtel mit Spielsachen hinter dem Sofa hervor und rief Linda zu, sie solle Elsie herunterbringen, notfalls mit Gewalt. Es gab Puppen ohne Kleider und Kleider ohne Puppen.
    »Möchtest du die Puppen anziehen, Kirsty?« fragte ich.
    »Nein«, sagte Kirsty.
    Eine ebenso störrische Elsie wurde ins Zimmer geschleppt.
    »Elsie, möchtest du Kirsty nicht helfen, die Puppen anzuziehen?«
    »Nein.«
    Im Flur läutete das Telefon.
    »Gehen Sie ran, Linda. Du liebst doch die Puppen, nicht, Elsie? Warum zeigst du sie Kirsty nicht?«

    »Keine Lust.«
    »Verdammt, ihr sollt Freundinnen sein.«
    Beide weinten, als Linda ins Wohnzimmer zurückkam.
    »Es ist Thelma«, sagte sie.
    »Herrgott, sagen Sie ihr … nein, ich nehme besser in meinem Arbeitszimmer ab. Lassen Sie keinen aus diesem Zimmer heraus.«
    Thelma rief an, um sich zu erkundigen, wie es lief, und ich beschrieb die Situation, so knapp ich konnte. Trotzdem dauerte es mehr als zwanzig Minuten, bis ich das Gespräch beenden konnte, und als ich mein Arbeitszimmer verließ, war ich auf Schreie und Blut an den Wänden, auf eine Klage von Kirstys Mutter, die Intervention des Sozialdienstes von Essex und eine amtliche Untersuchung gefaßt, die in meiner Verurteilung kulminierte. Statt dessen war das erste Geräusch, das ich hörte, ein kurzes, glockenhelles Lachen. Linda muß Wunder gewirkt haben, dachte ich bei mir, aber als ich um die Ecke kam, sah ich Linda im Flur vor der halbgeöffneten Tür stehen.
    »Was …?« begann ich, aber sie hielt einen Finger an die Lippen und winkte mich mit einem Lächeln heran.
    Auf Zehenspitzen ging ich zu ihr und schaute durch den Türspalt. Ich hörte einen leisen Entzückensschrei, der dann in gurgelndem Gelächter endete.
    »Wo ist er?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Wessen Stimme war das? Das konnte nicht sein.
    »Doch, weißt du wohl, weißt du wohl«, beharrten zwei kleine Stimmen.
    »Aber ich glaube, er könnte in Kirstys Ohr sein. Sollen wir nachsehen? Ja, da ist er.«
    Weitere kleine Quietscher.

    »Noch mal, Fing. Mach es noch mal.«
    Elsie und Kirsty knieten auf dem Teppich. Ganz vorsichtig spähte ich um die Türkante herum. Finn saß vor ihnen und hielt einen kleinen gelben Ball aus der Spielkiste zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand.
    »Ich glaube nicht, daß ich das kann«, sagte sie, rieb die Hände aneinander und nahm den Ball von der linken in die rechte Hand. »Aber vielleicht können wir’s versuchen.« Sie streckte die linke Hand aus.
    »Könnt ihr pusten?«
    Elsie und Kirsty bliesen mit gerunzelten Brauen und runden Backen.
    »Und das Zauberwort sagen.«
    »Abrakadabra.«
    Finn öffnete die linke Faust. Der Ball war natürlich verschwunden. Es war ein furchtbar plumper Zaubertrick, aber die beiden kleinen Mädchen schnappten überrascht nach Luft und kreischten und lachten. Keine von ihnen bemerkte uns, und ich trat in den Flur zurück.
    »Stören wir sie bloß nicht«, flüsterte ich, und wir entfernten uns auf Zehenspitzen.

    »Ich bin erstaunt«, sagte Kirstys Mutter, als sie zwei Stunden später an der Tür stand und darauf wartete, ihre Tochter in Empfang zu

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